Es ist halb drei in der Früh, als mein Sohn Leo mich aus dem Schlaf reißt. „Papa, der Himmel ist ganz grün!“ Im Nu bin ich hellwach und in der nächsten Sekunde auch schon draußen vor unserem kleinen Familienzelt auf dem Campingplatz im Süden von Island.

Normalerweise kann man Polarlichter nur in der kalten Jahreszeit erleben, wenn die Nächte dunkel und lang sind. Aber manchmal hat man eben Glück und sieht die elektrisch geladenen Teilchen der Sonnenwinde, die in den oberen Schichten der Erdatmosphäre auch außerhalb der Saison ionisieren. Staunend betrachten wir das unheimliche Naturschauspiel. Auch der Rest der Familie ist mittlerweile aus den warmen Schlafsäcken gekrochen, um die Aurora borealis zu bestaunen. Eine knappe Stunde dauert das Spektakel, um dann still und leise wieder zu verschwinden.

Durch ihre Lage knapp unterhalb des nördlichen Polarkreises kann man Polarlichter von Mitte August bis Anfang April auf der ganzen Insel sehen
Durch ihre Lage knapp unterhalb des nördlichen Polarkreises kann man Polarlichter von Mitte August bis Anfang April auf der ganzen Insel sehen © (c) HERBERT RAFFALT

Island ist ein raues Land mit einer unbändigen Natur voller Wunder, Sagen und geheimnisvoller Mythen und Märchen. Seit Jahrhunderten leben die Einwohner mit ihren Geschichten über Elfen, Trolle und verzauberte Feen. Nicht selten verwischen die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Schein. In den dünn besiedelten Landschaften mit ihren brausenden Wasserfällen und steilen Felswänden glaubt man sie auf mit Islandmoos bewachsenen Steinen sogar zu erkennen.

Familie Raffalt vor dem Jökulsárlón, dem bekanntesten Gletschersee in Island. Auf ihm treiben Eisberge, die eine Höhe von bis zu 15 Metern erreichen
Familie Raffalt vor dem Jökulsárlón, dem bekanntesten Gletschersee in Island. Auf ihm treiben Eisberge, die eine Höhe von bis zu 15 Metern erreichen © HERBERT RAFFALT

Wer sich mit Kindern auf Island einlässt, tauscht Strandurlaub mit Sonnenschirm und Sandburgen gegen Abenteuer in einem Land voller Abwechslung. Unsere Reise führte uns durch den gut erschlossenen Süden des Landes, in dem die Straßen auch mit normalen Fahrzeugen gut zu bewältigen und die Entfernungen zu den Sehenswürdigkeiten kurz sind. Besonders groß waren die Kinderaugen angesichts der riesigen Gletscherblöcke, die vom Vatnajökull ins Meer gespült werden. Und zwar, weil man so schön auf die größeren Blöcke klettern und darauf balancieren kann.

Meist sind die mit Beton eingefassten heißen Quellen inmitten einer wilden Naturlandschaft zu finden und nur nach einem kleinen Fußmarsch zu erreichen
Meist sind die mit Beton eingefassten heißen Quellen inmitten einer wilden Naturlandschaft zu finden und nur nach einem kleinen Fußmarsch zu erreichen © Herbert Raffalt

Und wenn das oder der Regen nicht für die dritte durchnässte Hose des Tages sorgen, ist es mit Sicherheit einer der Wasserfälle oder eine der vielen heißen Quellen. Viele solcher Bademöglichkeiten finden sich nicht in den gängigen Hochglanzprospekten, sondern werden als guter Geheimtipp unter den Reisenden weitergereicht. Island ist aber nicht nur das Land der nassen Hosenböden, es ist vor allem ein Land voller fabelhafter Naturwunder. Wer es bereist, sollte allerdings wetterfest sein.

Ein isländisches Sprichwort besagt: „Wenn dir das Wetter nicht gefällt, dann warte einfach zehn Minuten.“ Mit Regen und Wind kann, ja, muss man jederzeit rechnen. Aber auch mit unglaublichem Licht- und Farbenspiel, wenn die Sonne zwischen dunklen Wolken hervorsticht und die Nässe verdampfen lässt. Am Ende unserer abenteuerlichen Reise waren sich die Kinder sicher: Dieses Land kann zaubern.