England fasziniert Sie? Sie wollen dieses nicht schrullenfreie Land, das Europa mehr als Anhängsel seiner selbst sieht als umgekehrt, natürlich erleben? Dann sollten Sie eine Fahrradreise in der Grafschaft Kent im britischen Südosten anpeilen.

Geboten werden Küstenflair, sattgrüne,  sanfthügelige Landschaft und viel(e) Geschichte(n): Man sitzt am Rad der Zeit. Basislager ist das Seebad Margate, das ab Mitte des 18. Jahrhunderts 100 Kilometer von London entfernt als "Weiße Stadt am Meer" zu Ruhm kam. Sein Glanz blätterte ab, dafür liegt der authentische Kern frei. Es ist ein pures Erlebnis, auch weil man nahe an den Einheimischen bleibt. Tauchte in dieser Szenerie Inspector Barnaby auf, würde es nicht groß verwundern.

Das Meer als Begleiter

Alles hier ist so britisch, dass es Bildbänden entstammen könnte, bloß ohne Kitschglasur. Vorbei an Sandstränden und Herrenhäusern geht es zu den typisch weißen Kalksteinfelsen, die man von Dover kennt. Das E-Bike ist ein komfortabler Kumpan. Wer es sportlicher will, kann, wie der Autor dieses Berichtes, auf ein nicht elektrifiziertes Modell zurückgreifen. So oder so, findet man das Tempo, das am besten zu einem passt.

Der Duft des Meeres wird zum vitalisierenden Begleiter, an stürmischen Tagen gibt es kostenlose Gischt-Duschen. Der Weg führt zunächst direkt entlang des Ärmelkanals, schaffbare Einheiten paaren sich mit prächtiger Aussicht, wie etwa an der Botany Bay. All das spielt sich unter dem wechselhaften, durchaus auch sonnigen Firmament ab. Öffnet der Himmel einmal seine Schleusen, winkt schon ein Pub.

Fixpunkt in der Region ist Canterbury (der Transfer dorthin wird samt Bikes organisiert) mit bezaubernder Altstadt und monumentaler gotischer Kathedrale. Geschichtewurde inhaliert, da regt sich schon wieder die Lust auf eine Dosis Drahtesel. Es gilt ein weiteres Filetstück zu erfahren: Der „Crab & Winkle Way“ (13 km lang und beinahe autofrei)
folgt der Route einer historischen Zuglinie, die einst nach Whitstable verkehrte. Einkehr im "The Duke of Cumberland"? Gerne!

Wikingern auf der Spur

Tags darauf steht der "Viking Coast Trail" (52 km) rund um die Isle of Thanet an. "Wikinger betraten hier im Jahr 449 erstmals englischen Boden", erzählt mir unser Guide beinahe stolz. Verträumte Hafenstädtchen blieben bis heute gegen Massentourismus immun. Still war es nicht immer: Von 1968 bis 2000 fegten "Hoverlloyd"-Luftkissenfahrzeuge ge mit Getöse und 110 km/h zwischen Ramsgate und Calais in Frankreich über den Channel, bis ihnen der Eurotunnel und günstigere Flugtickets den Rang abliefen. Broadstairs ist ebenfalls geschichtsträchtig - Charles Dickens war zwischen 1837 und 1859 regelmäßiger Gast der Kleinstadt.

Ein sehr reizvoller Kontrast ist die Etappe entlang stiller Themse-Abschnitte, ausgehend von Reading bei London, das man per Bus erreicht. Bunt lackierte Hausboote auf Basis alter Frachtkähne säumen waldige Wege: Auf einigen dieser "Barges" wird zu Tee und Scones geladen. Man verliert sich in Natur und erstaunlicher Entschleunigung, so nahe einer 8,5-Millionen-Einwohner-Metropole. Viele Londoner ziehen bewusst aus dem Trubel der Großstadt und leben hier ein einfaches, entschleunigtes Leben, erzählt man uns.

Am Ende steige ich, auch wenn mir mein geschundenes Sitzfleisch etwas anderes signalisiert, nur ungern ab. We'll meet again!

Diese Reise wurde unterstützt von der Donau Touristik GmbH in Linz.