Eigentlich wollte Afif Kchouk bei einem Treffen mit Kollegen über die Zukunft des Tourismus in Tunesien sprechen. Drei Monate nach dem Anschlag auf das Nationalmuseum Bardo in Tunis blickte nicht nur der Hotelbesitzer wieder optimistischer in die Zukunft. Das Schlimmste schien überstanden. Noch in diesem Jahr, so hoffte Kchouk, werde sich die Zahl der Touristen normalisieren.

Dann platzte die Nachricht vom Attentat bei dem Küstenort Sousse in das Treffen. Und Kchouk fühlte sich wie gelähmt: "Eine halbe Stunde war ich in einer anderen Welt", erzählt er am Samstag noch immer geschockt.

Der neue Terroranschlag trifft Tunesien und seine Wirtschaft mitten ins Herz. Das Land hat zwar als einziger Staat der Region nach den arabischen Aufständen vor vier Jahren den Übergang in die Demokratie geschafft; die wirtschaftliche Lage hat sich seitdem aber nur langsam verbessert. Mit dem Anschlag bei Sousse erleidet sie einen neuen Rückschlag. "Das Attentat ist eine nationale Katastrophe", sagt Kchouk, der unter anderem auch ein Tourismus-Magazin herausgibt. "Langsam atmet der Tourismus nicht mehr."

Es ist bereits das zweite Mal in diesem Jahr, dass die Branche mit voller Wucht getroffen wird. Sowohl die Attentäter, die im März das Bardo-Museum überfielen und mehr als 20 Menschen töteten, als auch der Angreifer nahe Sousse dürften sich gezielt den Tourismus-Sektor ausgesucht haben. Ihnen geht es darum, das demokratische System zu zerstören. Deswegen wollen sie Chaos stiften. Schon mit dem Anschlag auf das Bardo-Museum in der Hauptstadt gelang ihnen das.

Leere Zimmer

Die Zahl der Besucher auf den drei Etagen des Hauses lässt sich an diesem Sonntagvormittag an zwei Händen abzählen. Eine Gruppe von vier Chinesinnen wandelt durch die Räume mit ihren prächtigen Mosaiken und Statuen aus römischer und frühchristlicher Zeit. Am Sonntag kämen immer wenige Gäste, beschwichtigt ein Mann vom Aufsichtspersonal, der gelangweilt auf einem Stuhl sitzt. Am Samstag hätten jede Menge Russen das Museum besucht, sagt er. Deutsche kämen aber kaum noch.

Auch ein Brite hat den Weg ins Museum gefunden, er landete einen Tag vor dem Anschlag, also am Donnerstag, in Sousse. "Ich habe mich von dem Attentat nicht von meinen Plänen abbringen lassen", sagt der Mann aus London. "Tunesien zu besuchen ist der einzige Weg, dem Land zu helfen."

Viele Ausländer entscheiden sich dennoch gegen eine Reise ins Land. Die Zahl der Besucher ist seit dem Anschlag auf das Bardo-Museum eingebrochen. In den ersten Monaten dieses Jahres sank die Zahl der Übernachtungen im Vergleich zum Vorjahr um rund 14 Prozent. "Für die Strandhotels ist die Lage katastrophal", sagt Afif Kchouk. "Sie haben kein Geld mehr, um Löhne, Strom oder Wasser zu bezahlen."

15 Prozent arbeitslos

Dabei gehört der Tourismus zu den Säulen der tunesischen Wirtschaft. Rund sieben Prozent des Bruttoinlandsproduktes erwirtschaftet das Land in diesem Sektor. Die meisten Gäste kommen aus Frankreich, Deutschland und Großbritannien. Rund 400.000 Menschen verdienen ihr Geld mit Urlaubern, Jobs, die das Land dringend braucht. Schon jetzt liegt die Arbeitslosenquote bei rund 15 Prozent. Davon besonders betroffen ist die jüngere Generation, insbesondere Uni-Absolventen.

Tunesiens Regierung will mit aller Schärfe gegen den Terrorismus vorgehen. Auch auf den Straßen in Tunis sind Rufe nach einer harten Hand gegen Extremisten zu hören. Vor dem Nationaltheater im Zentrum der Stadt demonstrieren am Samstagabend rund 200 Anhänger der linken oppositionellen Volksfront. Sie stimmen Parolen gegen den Terror an und schwenken tunesische Fähnchen. "Wir sind für einen ein- bis zweimonatigen Ausnahmezustand", sagt Habib Adaili von der Volksfront. "Dann können Armee und Polizei alle Extremisten festnehmen."

Doch selbst eine harte Hand dürfte der Reisebranche kurzfristig kaum helfen, denn das Problem ist groß. Seit Jahren liefert sich Tunesien einen Kampf mit Radikalen. Zu schaffen macht dem Land auch die Lage im benachbarten Libyen. Dort hat sich im Bürgerkriegschaos die jihadistische Organisation "Islamischer Staat" (IS) ausgebreitet. Für Extremisten ist es einfach, über die Grenze nach Tunesien zu gelangen.

Verschärfte Sicherheitsmaßnahmen allein sind ohnehin nicht die Lösung des Problems: Strände und Hotels, die von Schwerbewaffneten bewacht werden, dürften kaum eine große Zahl von Touristen anlocken. Zumindest eines kann Tunesien jedoch Hoffnung machen: Tausende Touristen wollen trotz des Anschlags in Sousse im Land bleiben.