Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wie das Salz ins Meer kommt, und auch die Frage, warum Möwen wie Emmas aussehen (wie sehen denn Emmas aus?) kann ich nicht beantworten, aber eines weiß ich gewiss: Das Leben ist schön! Zumal im Jetzt und Hier.

Und hier ist: Vor mir stelzt eine hochmütige Emma (bleiben wir einfach beim Namen) durch den feinen Sand, hinter mir wachsen gewaltige Steinbrocken aus dem dunkelblauen Meer. Haben hier Riesen Abfangen gespielt? Übermütig mit einer Steinschleuder herumgetobt? Es ist schön, sich das so vorzustellen.

Kitschhimmel und glutrote Sonne

Dort am Strand der Algarve, wo sich jetzt gerade die glutrote Sonne aus dem blauen Kitschhimmel hervorstemmt, finden auch Gespräche statt, die rar sind: Männergespräche. „Du, Papa, was ist deine Meinung zu . . .“ So etwas fragen 17-Jährige üblicherweise nicht. Die Sonne scheint die juvenile Coolness aufzutauen – schön so.

Unterwegs
Unterwegs © Melichar

Also: Sommer in Portugal. Die Menschen hier sind nicht so laut und aufgeregt wie die Spanier, aber auch nicht so sperrig, wie ihre Sprache klingt. Man ist auf eine angenehme Weise stolz auf dieses Land, der Chauvinismus wird klein gehalten. Schön so.

Dagi Koller urlaubt hier

Natürlich ist man nicht allein, hier an der Algarve. Portugal lebt vom Tourismus, aber es hat ihn einigermaßen heil überstanden. Die Küste der Algarve, sie steht für Sommer, Sonne, Meer. Und für mehr. Udo Jürgens hatte dies-orts ein Haus, Dagi Koller hat es noch immer. Das muss einen Grund haben. Hat es auch.

Dort, im äußersten Westen Europas, wo der Atlantik kühlend gegen das Land kracht, fühlt es sich wunderbar nach Süden an; doch nicht die lähmende Üppigkeit der Hitze hat die Oberhand, sondern die Ausgeglichenheit der Zeiten, Gezeiten und Temperaturen. Schön so.

Paradies auf Zeit

Wenn ich Lust auf mehr Menschen habe, was relativ selten ist, kann ich reingehen nach Carvoeiro. Dort spielt es sich ab, wie man so sagt. Gummiboote und Happy Hour. Der Ort pickt auf den Felsen, in den Lokalen picken hauptsächlich Briten. Sie sind zahlreich, kommen aber nicht in Horden und benehmen sich auch nicht so. Der Ballermann ist anderswo.

Träume und Taten

Die Männergespräche sind beendet, die Emmas am Strand werden immer zahlreicher. Bevor die Sonne allzu zudringlich wird, ziehe ich mich in mein Haus an der Algarve zurück und lese in aller Ruhe im „Buch der Unruhe“ von Fernando Pessoa. „Der Träumer ist der eigentliche Tatmensch“, ist dort zu lesen. Den weiteren Tag verbringe ich damit, zu träumen, diesen Spruch in die Tat umzusetzen.

BERND MELICHAR