Der Name lässt wenig urbanes Flair vermuten, versprüht eher ländlichen Charme: "Toni-Areal" - ein Quartier im Westen von Zürich. Bis zu einer Million Liter Milch pro Tag flossen hier in den 1970er-Jahren und machten die größte Stadt der Schweiz zur Melkmetropole Europas. Was heute auf dem Areal fließt, sind Ideen. Denn in der einstigen Molkerei sind seit Kurzem rund 5000 Studenten der Zürcher Kunsthochschule beheimatet. Die Arbeiter zogen aus, die Kreativen ein - und nahmen die Moderne mit.

Vom Industriegebiet zum Trendviertel

Vom verstaubten Industriegebiet hat sich Zürich-West zum stylishen Trendviertel entwickelt, in dem frische Luft die Rauchschwaden verdrängt hat. "Zürich-West galt früher als abgelegene Wüste. Die Leute, die sich hier niederließen, wurden belächelt", sagt Stadtführerin Elisabeth Brem. Mittlerweile zählt der "Kreis 5" zu den beliebtesten Gegenden Zürichs. Aus einem Schmuddelkind in altem Gewand wurde ein Hipster in moderner Kleidung - angezogen von (illegalen) Undergroundklubs, Bars, Lofts, Ateliers und kleinen Designerläden.

Was vom Industriegebiet geblieben ist, ist die Kohle - im Sinne von Geld. Die (Miet-)Preise steigen und seit Jahren wird eifrig gebaut - egal, ob Bürogebäude oder Hotels. Geschäftsmann trifft (Lebens-)Künstler. Glasbau trifft Backstein. Hier das Perfekte, Glitzernde und Mächtige. Dort das Improvisierte, Bunte und Gemütliche. Zürich-West ist ein Viertel voller Gegensätze, aber trotzdem stimmig. Ganz ohne Klischees à la Käse und Kuh. Eine Facette, die der Finanzhochburg Zürich als Kontrast zur Bahnhofstraße und Altstadtidylle guttut.

Wenn es Abend wird in ...

Spaziert man tagsüber durch die Straßen von Zürich-West, ist die Schweizer Unaufgeregtheit geradezu zu spüren. Die Ruhe vor oder nach dem Sturm - so muss sie sich anfühlen. Denn wenn die Sonne untergeht, geht sie in Zürich-West auf. "Chunsch no in Usgang?", heißt es dann. "Gehst du noch fort?" Zum Beispiel auf ein Konzert in die "Maag-Halle". Oder ins Theater im "Schiffbau". Oder in "Frau Gerolds Garten". Eine Art "Beiz" (Biergarten) mit Gemüsebeeten, frischer Küche, kleinen Shops und bunten Veranstaltungen. Eine grüne Oase mit Charme, die das ganze Jahr geöffnet hat und eingebettet zwischen Gleisen und Schiffscontainern liegt.

Und plötzlich ist er wieder da, dieser architektonische Kontrast. Wenn sich hinter "Frau Gerold" der mächtige, grün schimmernde "Prime-Tower" aufbaut. Als wolle der 126 Meter hohe Glaskoloss über die jungen Wilden wachen - im "Wilden Westen" von Zürich. Wie junge Wilde den "Wilden Westen" für sich entdeckten: Zürich und seine bunte Seite.