Also Bären sind es keine. Auch wenn sie aus der Ferne ein bisschen so aussehen. Die hätten sich längst in Winterspeck gewickelt und in ihren Höhlen verschanzt, wären sie auf der Insel aus Feuer und Eis heimisch. Es sind Islandpferde auf der Weide, zu dieser Jahreszeit camoufliert als Fellknäuel mit Schneepanade. Heldenhaft trotzen sie Sturm und Kälte, lesen zufrieden Strohhalme auf.

Dickes Fell gefragt


"Für Island braucht man ein dickes Fell", sagt unser Guide Jón. Und 4-x-4-Antrieb, wie ihn sein Geländewagen hat. Nicht nur im Winter, nicht nur wegen der Minusgrade, nicht nur wegen des Glatteises. Sondern weil sie einen nicht mit offenen Armen empfängt, die Insel. Weil sie an manchen Tagen einfach "Nei" sagt. Gar nichts geht, wenn der Sturm so viel weiße Pracht aufwirbelt, dass man die Hand vor Augen kaum sieht. Und weil dieses Land einem den Boden unter den Füßen wegzieht. Seiner Schönheit, aber vor allem seiner Eigenheit, seiner Einsamkeit wegen.

Obwohl Island eine der niedrigsten Verbrechensraten der Welt hat, bekommt man ziemlich bald eine Idee davon, warum hier die Kriminalautoren sprießen. Die winterliche Dunkelheit ist eine Steilvorlage für finstere Gedanken. Und wenn schon sonst wenig los ist, dann zumindest im eigenen Kopf. Pro Einwohner gerechnet werden auf Island jährlich die meisten Bücher geschrieben, publiziert und gekauft.

Aber heute meint es der nordische Wettergott Thor gut mit uns. Die Sonne spult von 11 bis 15 Uhr ihre volle Strahlkraft ab, rosig reflektieren die Wolken ihr Licht, die Weite kleidet sich in ebenmäßiges Weiß. Während die meisten Touristen zu dieser Jahreszeit das Polarlicht jagen, das Hochland queren, sich bei Skitouren oder Eisklettern mit den Elementen messen oder im warmen Wasser der Blauen Lagune weiken, führt uns der Weg nach Reykjavík.

Ein Hoch auf die Gemütlichkeit

Es dauert nicht länger als ein paar Minuten, bis man weiß, warum die nördlichste Hauptstadt der Welt vom US-Fernsehsender CNN 2010 zur besten Weihnachtsdestination gewählt wurde. Kein "Last Christmas", keine dickbäuchigen Männer mit Rauschebart, die Sache mit den geschmückten Tannen erübrigt sich auf einer größtenteils baumlosen Insel ebenfalls. Wesentlich herzerwärmender ist ohnehin die gewachsene Gemütlichkeit. "Komm, stell dich zu uns! Auf ein dunkles Weihnachtsbier", ruft ein Wildfremder quer über die Straße.

Dann ruft wieder die Abgeschiedenheit. Das Hotel Ion liegt am Fuße eines Vulkans, neben dem Nationalpark Pingvallavatn, wo bereits um das Jahr 930 eines der ältesten Parlamente der Welt tagte. Als Manifest des ständigen Brodelns unter Islands Erde liegt der Geruch von Schwefel in der Luft, die sich das Element mit dicken weißen Flocken teilen muss. Aber mit keiner Schallwelle. Absolute Stille. Es ist so kalt, dass man keinen Hund vor die Tür jagen würde und trotzdem stehen wir draußen. Mit Schneepanade. Weit weniger heldenhaft als die Islandpferde, aber keinen Deut weniger zufrieden.