Herr Janez ist der Einzige, der heut schon richtig auf Touren ist. Er serviert das Frühstück im Salonwagen der österreichischen Dampflokomotiven-Enthusiasten Brenner & Brenner, der zu nachtschlafender Zeit vom Wiener Franz-Josefs-Bahnhof abfährt. Trotz veritablen Schaukelns tischt der Kellner frische Semmerln, Marmelade und Kaffee souverän auf, zupft die roséfarbenen Vorhänge zurecht, verschnauft hin und wieder einen Moment in der kleinen Küche am Ende des Abteils, in der das Mittagsgulasch schon auf kleiner Flamme köchelt. Immerhin liegen mehr als sechs Stunden Schienenstrang vor uns - ein alter Salonwagen ist eben kein D-Zug.

Der festliche Salonwagen von Brenner & Brenner mit seinen 48 Sitzplätzen wurde 1957 bei Simmering-Graz-Pauker gebaut
Der festliche Salonwagen von Brenner & Brenner mit seinen 48 Sitzplätzen wurde 1957 bei Simmering-Graz-Pauker gebaut © Karin Riess

Endstation Nürnberg. Sanft, aber bestimmt schiebt Janez die Passagiere zum Ausgang, hinaus in die Lebkuchenstadt, in der es vor lauter Weihnachten nur so wogt und sich Millionen von Elisen in den Schaubuden stapeln. Der Nürnberger Christkindlesmarkt ist einer der ältesten Deutschlands, seine Geschichte lässt sich bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts zurückverfolgen. Man darf also durchaus von Tradition sprechen, bei dem, was sich ab Ende November in den Gassen innerhalb der heute noch fast vollständigen Stadtmauer abspielt. Der Weihnachtsmann kann hier Rauschebart und rote Mütze einpacken. Das Christkind hält nicht nur Hof, vielmehr Hochamt.

Christkind Teresa Treuheit
Christkind Teresa Treuheit © (c) AP (Daniel Karmann)

Kitsch? Selbstverständlich

Die Nürnberger wählen alle zwei Jahre ein neues Christkind, das blond gelockt, bekrönt und im goldenen Gewand von der Empore der Frauenkirche auf dem Hauptmarkt mit seinem Prolog das Spektakel eröffnet. Der einzige Moment übrigens, an dem die Weihnachtsbeleuchtung bis zum 24. Dezember Pause hat. Schaubude an Schaubude hüllt sich und ihre Waren sonst in gleißenden Lichterschein. Kitsch? Selbstverständlich. Aber mit Krempel sind die Standler sparsam. Immerhin steht die Ehre Deutschlands als Weltmeister des Weihnachtsschmucks auf dem Spiel. Holzspielzeug aus dem Erzgebirge, Zinnfiguren aus Rothenburg ob der Tauber, Glasanhänger aus Lauscha werden rund um den knapp 19 Meter hohen "Schönen Brunnen", der die Form einer gotischen Kirchturmspitze hat, zur Schau gestellt.

Umso näher das Kopfsteinpflaster der kleinen Gassen der Kaiserburg kommt, die auf einem Sandsteinrücken über der Stadt thront, desto dunkler wird die Nacht, umso lichter die Reihen der Stände. Schließlich braucht auch das fleißigste Christkind einmal eine Pause.

Zurück im Salonwagen ist Herr Janez wieder in Hochform. Sechs Stunden Zeit für Gespräche, Zusammensitzen, Beisammensein rattern den Schienenstrang entlang. Kein Internet, kein bimmelndes Handy, weil der Empfang unterwegs kilometerlang auf der Strecke bleibt. Der Ober serviert dazu frischen Tee und Spielkarten zum Kanastern. Manchmal stellt das Christkind die Weihnachtsgeschenke mit der Eisenbahn zu.