Mit Argusaugen verfolgt der ältere Herr hinter der Kassa des winzigen Musikladens in Famagusta jede Bewegung seiner ausländischen Gäste. Auf den in Regalen lagernden CDs und DVDs scheint sich viel von dem Staub, den der Konflikt zwischen den Türken im Norden und den Griechen im Süden der Insel aufgewirbelt hat, abgesetzt zu haben.
"Woher kommt ihr?", will der Mann hinter der Theke mit dem buschigen Schnauzer und der Lesebrille auf der Nase wissen. "Aus Österreich", lautet die Antwort.

Marktgeschrei

Die Worte scheinen beim Händler wie Antidepressiva zu wirken. Der zuerst träge, aber bestimmte Blick des Beobachters weicht einem Lächeln. "In den 1970er-Jahren sind viele UN-Soldaten aus Österreich zu uns an die Ostküste gekommen und haben in meinem Laden Kassetten gekauft!", erinnert er sich erfreut.

Das ist Nordzypern. Zu Beginn zurückhaltend, abwartend und dann doch freundlich, lebhaft. Am deutlichsten ist das in der Hauptstadt Nikosia zu spüren. Eine politische Grenze teilt die zypriotische Metropole in einen türkischen Norden und einen griechischen Süden. Wenn die Sonne am höchsten steht, wird die mittelalterliche Altstadt mit ihren historischen Bauwerken vom Marktgeschrei der Kaufleute befeuert und am Mittagsschlaf gehindert.

Ausgetretenen Touristenpfade

In der großen Karawanserei, erbaut als Herberge für Kaufleute auf der Durchreise, lässt es sich hervorragend türkisch speisen. Deftiges Kleftiko (Lammfleisch mit Kartoffeln) wird mit leichtem Hummus und grünem Salat serviert. Dazu empfiehlt sich an heißen Tagen das Nationalgetränk Ayran (Joghurt mit Wasser, Minze und Salz). Historisch und schmackhaft, auch das ist Nordzypern. Verlässt man die ausgetretenen Touristenpfade Nikosias und biegt in Nebengassen ein, kann sich das Bild schnell ändern.

Aufgelassene und renovierungsbedürftige Häuser buhlen um die Aufmerksamkeit des Betrachters. In einer Gasse nahe der griechischen Grenze leben Menschen mit ihren Häusern so eng nebeneinander, dass man den Nachbarn niesen hören kann. Gesundheit! "Es ist wirklich bedauerlich, Teile der Stadt in so einem Zustand zu sehen. Hier könnte ein lebendiges Künstlerviertel sein", sagt Reiseführer Can Kabaki. Während viele Leute noch im Albtraum des griechisch-türkischen Konflikts feststecken, träumen einige von einer blühenden Zukunft.

Wildesel

Wildesel, goldene Sandstrände und glasklares Meerwasser. Auch das ist Nordzypern. Die nördliche Halbinsel Karpas gilt als Geheimtipp für Naturliebhaber. Lässt man das letzte zivilisierte Dorf Dipkarpaz hinter sich, führt eine rumpelige Asphaltstraße an die Nordspitze der Insel. Dort tummeln sich störrische Esel, die sich jedem Auto entgegenstellen, bis sie mit Äpfeln verköstigt werden.

Auf mehr als 800 Quadratkilometern erstreckt sich eine nahezu naturbelassene Region mit unberührten Badestränden. Spätestens hier weicht der aufgewirbelte Staub des alten Konflikts goldenem Sand.