Michael Ma ist ein cooler Typ, und das steht auch auf seiner Visitenkarte: "The Dude", der Kumpel, ist dort zu lesen. Jetzt sitzt der 40-Jährige in seinem neuen Lokal "Supertree" in fünfzig Meter Höhe und blickt stolz auf die Lichter von Singapur hinunter. Sharon Stone, George Clooney und Rihanna haben hier schon ihre Drinks genossen, das erwähnt "The Dude" fast beiläufig. Aber Michael ist nicht nur cool, sondern auch steinreich. Mehrere Restaurants und Hotels in der Stadt gehören ihm, ein weiteres Lokal befindet sich an der Hamburger Waterfront, ein Resort in Phuket. Doch Glück und Geld sind Michael Ma nicht in den Schoß gefallen. Nach den Wirren des Vietnamkrieges flüchtete er Anfang der 70er-Jahre mit seiner Familie nach Australien, vor rund zehn Jahren ging er nach Singapur - mit 2000 Euro in der Tasche. "Mein erstes selbst verdientes Geld habe ich meinem Vater geschickt und ihm gesagt, dass es mir super geht. Dabei habe ich in einer winzigen Wohnung gehaust und kaum etwas zum Essen gehabt." Das änderte sich bald. Michael arbeitete Tag und Nacht, knüpfte die richtigen Kontakte - und eröffnete bald sein erstes Hotel.

Sicher und sauber

Der kometenhafte Aufstieg des Michael Ma ist ein gutes Symbol für die Entwicklung der Stadt. Vor einigen Jahren noch war der seit 1965 unabhängige Stadtstaat nur eine Stopover-Destination, in der sich Reisende höchstens ein bis zwei Tage aufhielten. Heute sind es durchschnittlich fünf Tage, die Touristen in der "Löwenstadt" verbringen. In einer Stadt, die nicht nur als sicher und sauber angepriesen wird, sondern die es auch tatsächlich ist. Die Schweiz Südostasiens wird Singapur gerne genannt. Seit ein Scherzbold vor einigen Jahren mit einem Kaugummi, den er an eine automatische Tür pickte, die U-Bahn lahmgelegt hat, sind Kaugummis verboten. Müll sieht man auf den Straßen der 5-Millionen-Metropole ebenso wenig wie Bettler oder Obdachlose. Singapur ist mit seinem Einparteiensystem zwar alles andere als eine Demokratie. "Aber die Politiker kümmern sich um die Menschen", sagt Michael Ma. "Wir haben ein funktionierendes Gesundheitssystem, wir haben gute Universitäten, wir sind nach New York und London das drittgrößte Finanzzentrum der Welt." Ein potenter, paradiesisch anmutender Mikrokosmos. Wo ist der Haken, Michael? "Es gibt keinen", lächelt "The Dude" - und wählt die Nummer des thailändischen Botschafters. "Morgen steigt hier im Supertree eine Riesenparty, alle Botschafter der Stadt kommen."

Ein Schmelztiegel

Um hinter die Kulissen zu blicken, müsste man mehr Zeit in dieser Stadt verbringen. Aber einige Tage reichen, um einen Eindruck von diesem selbstbewussten Schmelztiegel zu bekommen. "Yes, we can!" scheint das Motto dieser unvergleichlichen Stadt zu sein, die viel Vergangenheit, noch mehr Gegenwart, aber vor allem eine prächtige Zukunft besitzt.

Innerhalb weniger Jahre wurde die Marina Bay dem Meer abgetrotzt und aus dem feuchten Boden gestampft. Als neues Wahrzeichen ragt das "Marina Bay Sands" in den suptropischen Himmel. Die drei Hoteltürme mit je 55 Stockwerken werden durch eine Dachterrasse in Form eines gigantischen Schiffes verbunden. Die Lizenz zum Staunen hatte auch Agent 007 bei den Dreharbeiten zum neuen James-Bond-Film "Skyfall".

Trotz rasanter Entwicklung ist Singapur keine klinische, seelenlose Wolkenkratzeransammlung, sondern ein lebendiges Wesen mit viel Charakter. Das historische Chinatown mit seinen Straßenküchen ("Hawker Food") verrät viel über die DNA der Stadt; in "Little India" betritt man eine farbenfrohe Welt, die alle Sinne betört; im neu errichteten Botanischen Garten wähnt man sich auf einem grünen Planeten.

Und überall - egal, in welchem Teil der Stadt man sich befindet - freundliche, offene Gesichter und strahlendes Lächeln, zwischen den Straßenschildern hat man sogar Smileys montiert: "Have a nice day!"

Singapur ist ein weltoffener Multikulti-Kochtopf, in dem es heftig brodelt, der aber nicht zu explodieren droht. 76,8 Prozent der Einwohner sind Chinesen, 13,8 Prozent Malaien, 7,9 Prozent Inder und 1,5 Prozent "andere". Die offizielle Nationalsprache ist Malaiisch, aber auch Englisch, Tamil und Chinesisch sind anerkannte Amtssprachen. Fast alle großen Weltreligionen sind in der Stadt vertreten: Buddhismus, Islam, Christentum, Taoismus, Hinduismus. Obwohl die Christen nur eine Minderheit darstellen, wird in diesen Tagen heftig deren Fest, Weihnachten, zelebriert. Es geht ums Geschäft, nicht um die Religion.

Der "Supertree" von Michael Ma strahlt in den tropisch-feuchten Nachthimmel. Aus den Boxen krächzt Tom Waits den Song "Singapore". Die Matrosen, die er darin besingt, befinden sich auf den Hunderten Schiffen, die im riesigen Hafen vor Anker liegen. In der Ferne dreht sich das Riesenrad, auf dem Dach des "Marina Bay Sands" drehen die Hotelgäste im Swimmingpool ihre Runden und blicken auf eine fast unwirkliche Lichterwelt hinunter. Und Michael Ma, "The Dude", hält in seinem Restaurant Hof, erzählt von Botschaftern, Schauspielern und anderen Berühmtheiten, aber vor allem erzählt er von der Stadt, die es ihm ermöglichte, seine Träume zu erfüllen. "Arbeite hart und feiere ausgiebig", lächelt Michael. "Aber immer in dieser Reihenfolge. Singapur kann ein hartes Pflaster sein, aber wer Ehrgeiz und Visionen hat, der kann es weit bringen."

Als Beweis dafür liegt ihm jetzt die Stadt zu Füßen. Eine Stadt, die bewegt, berührt und berauscht. Wenn jetzt noch Sharon Stone im "Supertree" auftauchen würde, wäre das Paradies perfekt.