Schon bei der Ankunft: das Lächeln des Himmels über der Landschaft. Das Bild der Ferne schlägt man auf wie eine Partitur. Wir liefern die Störtöne.

Zu dritt oder gar zu viert sitzen sie auf ihren knatternden Gefährten. Mann, Frau, Kinder, auch für den Hühnerkäfig findet sich noch Platz. Aber selbst darin stecken Harmonie und ein höherer Ordnungssinn. Akrobatisch wuseln die Inselbewohner mit ihren Mopeds herum, mobilen Kleinpyramiden gleich. Aber sie lächeln über jedes Gesetz der Schwerkraft, jede denkbare Gefahr und jede Anstrengung hinweg.

Unsereiner lächelt aus einem anderen Grund. In der Landessprache wurde ein wunderbarer Name für den Auspuff ersonnen: Knalpot heißt er. Das passt, das bildet auch das ideale lautmalerische Kontrastmittel zur endlos strömenden Gamelan-Musik.

Irgendwo im Norden, in den Bergen, in einer Teeplantage. Eine ältere Frau pflückt Blätter. Die Abendsonne verschwindet hinter den Bergen. Auch sie: wie gepflückt, von unsichtbarer Hand.

Einigen wir uns darauf, fernab der Klischees: Bali ist die Insel der Götter, der Tempel, der Geister. Schon kurz nach dem Flughafen scheiden und trennen sich die touristischen Geister. Die Mehrheit drängt es in die Luxusresorts im Süden. Empfangen werden sie von riesigen, ausgeklügelt konstruierten Swimmingpools, geklonten Wiener Kaffeehäusern und europäischen Köchen, vorwiegend aus Frankreich. Kunstvoll bereiten sie westliche Speisen zu. Um die Touristen, wieder daheim, restlos entzückt schwärmen zu lassen, wie exzellent sie doch sei, die balinesische Kulinarik. Der Mensch will getäuscht werden, im Urlaub noch lieber und leichter als sonst.

Nichts, rein gar nichts erahnen oder verspüren sie von der wahren menschlichen Aura, gespeist durch Friedfertigkeit, Frömmigkeit und Gastfreundschaft, der keinerlei Falschheit innewohnt.

Kurz nach Sonnenaufgang bringen die Frauen ihre Opferschalen zu den Tempeln, gefüllt, nein, verziert sind die Schalen mit frischem Obst, bunten Blumen. Milder Duft breitet sich aus. Die Insel beginnt mit ihrer Morgenatmung.

Warum nur all diese Respektlosigkeit, dieses mutwillige Zerstören jeglicher Harmonie, jeglichen Andersseins? Die Touristenhorden an den heiligen Stätten tun alles, um Darwin zu widerlegen: Der Affe stammt vom Menschen ab. Ungeschickten Lemuren gleich klettern sie, bewaffnet mit Kameras, auf Bäume, um sich ein vermeintlich noch besseres Bild verschaffen zu können. Ja, wovon denn? Von meditierenden, betenden Menschen. Später zieht die Karawane des Grauens weiter. Hin zu weitläufigen Tiergehegen; zum Affen-Fotografieren. Lange kann es nicht mehr dauern, dann werden die Tiere bereitwillig die Fotoapparate in die Hand nehmen, auf den Auslöser drücken und den seltsamen Fremdlingen Gruppenaufnahmen mit auf den Heimweg geben.

Jemand hat diese Insel mit voller Hand aus dem Ozean geschöpft, sie behutsam, aber entschlossen so hoch wie möglich gehoben und dann losgelassen.

Die Stadt Ubud, nördlich von Denpasar, der Metropole, gelegen, gleicht irgendwie der legendären letzten Tankstelle an der Grenze. Viele Touristen wagen sich zumindest bis hierher, um ihre Batterien doch noch mit Exotik aufzuladen und zu kaufen, was das Zeug hergibt. Mehrsprachig, also auch in deutscher Version, offerieren die Hotels "schöne Aussichten". Ach, Tücke der Doppeldeutigkeit. Die Aussichten, die Naturschönheiten, es gibt sie, in unermesslicher Hülle und Fülle, aber all das will betreten, begangen werden, erst dann richtet sich der Blick, der Augenblick, nach außen und innen zugleich.

Es ist ein sinnloses Unterfangen, etwa all die Grüntöne und Farbenspiele rund um die Reisfelder zu beschreiben.

Man liest es und glaubt es nicht. Man sieht es und glaubt es noch viel weniger.

Alle Filialen des Höheren sind hier vertreten, die Zentrale oben kann zufrieden sein.

Weltweit einzigartig ist die balinesische Vermengung von Religionen und Ahnenkult, Glaube und Aberglaube. Jeder darf mitmachen, und es gibt immer noch Platz für eine weitere heilige, höhere Macht. Unleugbar ist die Regentschaft von Ganesh, zuständig für das Glück, das sich auf so vielfache Art und Weise manifestiert.

In seinen famosen Reisenotizen "Hinter der Kurve" machte sich Robert Gernhardt auf die Suche nach dem Ort der Orte, kurz OdO genannt. Und verweist auf das Problem dabei: Hat man einen OdO gefunden, darf dies nicht weitererzählt werden, sonst ist auch die Magie dahin. Unter uns, samt Garantie: Bali hat einen enormen OdO-Reichtum. Weil es auch die IdI ist. Die Insel der Inseln. Klingt traumhaft, ist es auch.