Irland, die Grüne Insel. So hat man es gelernt, so hat man es im Kopf. Doch am nordöstlichen Winkel, da hatte meine persönliche Karte einen dunkelgrauen Fleck: Nordirland, jahrzehntelang halb Kriegsgebiet. Warum sollte man da hinwollen?

Heute ist das ganz anders. Seit einigen Jahren ist der Konflikt beendet, der letzte Streitpunkt wurde vor zwei Jahren beigelegt - verdient gemacht hat sich da unter anderem auch der frühere US-Präsident Bill Clinton. Nichts erinnert mehr äußerlich an den langen Bürgerkrieg. Trotzdem ist Nordirland noch immer kein Land wie jedes andere. Nach wie vor spielt das Verhältnis zwischen den Religionen (Anglikaner, Presbyterianer, Katholiken) eine große Rolle. Nicht zuletzt deshalb, weil die Anglikaner nach wie vor die Schlüsselpositionen besetzen.

Doch das ändert nichts am Reiz des Landes. Die Teilung der Insel ist kaum spürbar, nur die Farbmarkierungen am Straßenrand wechseln die Farbe, wenn man von Dublin aus in knapp zwei Stunden Nordirland erreicht.

Gewöhnungsbedürftig für Mitteleuropäer ist jedenfalls das Wetter. Typisch irisch der ständige Wechsel zwischen Regen und Sonnenschein. Häufig kommt man sich wie an Deck eines Ozeanriesen vor, so heftig geht der Wind. Wird es auch im Sommer nicht heiß, bleibt es dafür im Winter mild. Eine Konsequenz der windigen Verhältnisse: Beim Radfahren in dem abwechslungsreichen Gelände kämpft man immer gegen den Wind.

Bei der neuesten Hauptattraktion von Nordirland ist die steife Brise aber ganz lebensecht: Zum 100. Jahrestag des Untergangs der Titanic wurde ein faszinierendes Museum geschaffen. Genau dort, wo 1911 das Riesenschiff gebaut wurde, erhebt sich das ansprechende, einem Eisberg nachempfundene Gebäude. Auf 11.000 Quadratmetern wird jene Zeit zu neuem Leben erweckt, in der Belfast eine der bedeutendsten Werftstädte der Welt war. Zehntausende Männer fanden beim Bau und der Ausrüstung dieser Luxusschiffe Brot und Arbeit. Das Museum ist mit allen modernen Schikanen ausgestattet, ein Höhepunkt ist eine Reise mit einer Art Gondel durch die Dockanlagen. Aber Vorsicht: Der Wind kann einen am Dockgelände beinahe umblasen - wer denkt da nicht an Kate Winslet und Leonardo DiCaprio?

Belfast hat's

In Belfast gibt es freilich mehr zu entdecken. Sei es die nette Wasserfront zum Fluss Lagan hin, sei es der Crown Liquor Saloon, das älteste und prachtvollste irische Pub. Eindrucksvoll sind die Graffiti-Zeugnisse zum nordirischen Konflikt. Noch immer besteht die "Peace Line", eine Mauer, die protestantische und katholische Iren voneinander trennt. Gemeinsam sitzen sie heute im Stormont Castle, dem Sitz der Regierung ein paar Kilometer außerhalb von Belfast.

Eindrucksvoller sind die Zeugnisse aus historischer Zeit. Die wohl wichtigste Gestalt ist der heilige Patrick (5. Jahrhundert), mit dem viele Sehenswürdigkeiten zusammenhängen und dem ein eigener "Trail" gewidmet ist.

Unter anderem hat er die kleine, aber sehenswerte Stadt Armagh gegründet. Bis heute ist der Ort nahe an der Grenze zu Irland sowohl der Sitz des Erzbischofs der anglikanischen Kirche als auch des katholischen Erzbischofs. Die beiden - no na - St. Patrick's Cathedrals liegen einander gegenüber. Hier entstand das "Book of Armagh" (heute in Dublin), die älteste Handschrift der britischen Inseln. In Armagh ist übrigens der Wind gewöhnlich dezenter - was dazu führt, dass dort Äpfel gedeihen können.

Auf dem Weg von oder nach Dublin, wo es die besten Flugverbindungen nach Wien gibt, darf man inmitten lieblichster Landschaft (ja, auch mit Schafen!) Newgrange nicht versäumen. Die jungsteinzeitlichen Hügelgräber gehören zu den bedeutendsten Megalithanlagen weltweit. Der Eingang ist so ausgerichtet, dass (nur) zur Wintersonnwende die Sonnenstrahlen bis in die zentrale Kammer reichen.