FPÖ-Kandidat Norbert Hofer vor Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen – so würde die Bundespräsidentenwahl ausgehen, wenn sie auf Facebook stattfände. Die stärksten Auftritte in den Sozialen Medien haben also just jene beiden Bewerber, die auch laut Umfragen die besten Chancen auf den Einzug in die Stichwahl haben. Längst hat der Kampf um die Hofburg nebst Plakaten und TV-Debatten auch die digitalen Welten erobert. Fast jeder zweite Österreicher ist auf Facebook registriert, auf Twitter tummeln sich rund 150.000 und Millionen Österreicher sehen regelmäßig Youtube-Videos an.

Für die Social-Media-Expertin Judith Denkmayr hat der Wahlkampf im Netz ein gewisses Mindestmaß an Professionalität erreicht, positiv aufgefallen ist ihr, dass mittlerweile viel schneller auf Fragen und Kommentare von Usern reagiert wird. Dennoch sei Österreich etwa von den USA noch weit entfernt. "Die lachen uns aus, weil wir noch Plakate kleben".

Dabei sei der Streuverlust von Plakaten viel größer. "Denn nur, weil es jeder sieht, heißt das nicht, dass ich meine Zielgruppe wirklich erreiche. Soziale Medien erlauben es, mittels Targeting genau definierte Personen zu erreichen, etwa junge Frauen, ältere Herren, Fans von bestimmten Fußballvereinen oder nach regionalen Gesichtspunkten. So sieht dann jemand, der Video A sieht, auch Video B", erläutert die Expertin.

Am stärksten im Web punktet Hofer. Der Blaue hat in den vergangenen Wochen die Führung in Sachen Facebook-Fans übernommen und hält mit Stand Freitagabend bei rund 88.000. Dabei war er deutlich hinter Van der Bellen gestartet, der schon vor seiner Antrittsbekanntgabe eine gut gepflegte Seite hatte. Wöchentlich wächst Hofers Community um ein Fünftel. Zählt man zu den "Fans" auch noch die gesamt getätigten "Likes", Kommentare und geteilten Inhalte hinzu, hängt Hofer jeden Kontrahenten meilenweit ab.

Die Kandidaten auf Facebook
Die Kandidaten auf Facebook © KLZ Grafik



Doch für die Expertin ist das "ein Angeberthema. Wer hat die meisten Unterstützungserklärungen gesammelt? Wer hat die meisten Fans auf Social Media?". Es gehe auch um den "Matthäus“-Effekt": "Wo Tauben sind, da fliegen Tauben zu. Also je mehr Fans ich auf Facebook habe, um so mehr kommen auch hinzu", meint die studierte Kommunikationswissenschaftlerin.

Hofers "Fanpage" profitiere stark von der mit mehr als 335.000 Fans "übermächtigen" Seite von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Dessen Fans, aber auch den Freunden der Fans, wird dann die Hofer-Seite eingeblendet. Laut Denkmayr "merkt" sich Facebook aber auch, wenn ein Nutzer beispielsweise die FPÖ-Seite besucht und erstellt eine Art Datenprofil: "Männlich zwischen 16 und 35 Jahren, Fan eines bestimmten Fußballvereins und von Andreas Gabalier. Leuten mit ähnlichen Interessen, quasi den Datenzwillingen, wird dann die Hofer-Seite gezeigt."

Hinzu kommt die blaue Zahlungsbereitschaft im Netz. Denn: Wer auf Facebook mehr einzahlt, dessen Einträge werden besser behandelt. Und die FPÖ überwies dem kalifornischen Konzern laut Analyse-Tool "Fanpagekarma" allein in den letzten vier Wochen mehr als 120.000 Euro für Hofers Seite – auf Platz zwei in dieser Statistik folgt Van der Bellen mit 32.000 Euro.

Warum vor allem die FPÖ bei Facebook so erfolgreich sei? Zum einen tue man sich als Oppositionspartei etwas leichter, man könne über mehr Themen reden, mehr Lärm machen. "Gerade die FPÖ hat sich außerdem schon seit Jahren eine Art Paralleluniversum im Web aufgebaut, mit dem FPÖ-TV oder dem Blog unzensuriert.at", führt Denkmayr aus. "Da funktioniert dann auch das Narrativ, die klassischen Medien lieben uns nicht und verfälschen uns. Und die Zielgruppe – eher jung, männlich, tendenziell rechts – ist genau dort auf Facebook."

Rudolf Hundstorfer und Andreas Khol, die Kandidaten von SPÖ und ÖVP, hinken Hofer hingegen weit hinterher. Das hat laut Denkmayr mehrere Gründe: "Große Institutionen tun sich zumeist schwerer mit Sozialen Medien, da laufen andere Prozesse, wollen vielleicht mehr Leute mitreden. Die Tonalität passt nicht immer, bei Fotos müssen dann unbedingt ganz bestimmte Politiker abgebildet sein – und fünf Herren im Anzug, das will eigentlich niemand sehen. Bei Rot und Schwarz ist das Thema Soziale Medien auch ein bisschen über die Hintertür reingekommen".

Statt einen inhaltlichen Mehrwert anzubieten, gehe es eher um brachiale Werbung, fast im Plakatstil. "Die eigenen Bestandsmitglieder müssen aktiviert werden, im Sinne von 'Geht's wählen, das ist euer Kandidat'", meint die gebürtige Oberösterreicherin. "Grundsätzlich gibt es bei beiden Parteien eine eher unpassende Formalität, das hat weniger mit dem Alter der Kandidaten zu tun."

Dass die Kandidaten posten lassen, sei eine Alters- und Zeitfrage. "Vor allem die Beantwortung von Userkommentaren ist heikel und zeitaufwendig. Man kann zwar keine Fehler machen, nimmt sich aber auch ein bisschen die Chance, herauszustechen", beurteilt Denkmayr den Verzicht auf persönliche Statements.

Für alle sechs Hofburg-Bewerber ist Facebook klar das wichtigste Soziale Medium. Twitter, Instagram und YouTube sind nachrangig. Auf Instagram sei Politik kein wirkliches Thema, es würden Hochglanzfotos von Essen, von Promis dominieren. "Aber ich kann hier vielleicht bestimmte Zielgruppen leichter erreichen, etwa Erstwähler."

Twitter habe hingegen eine sehr enge Zielgruppe. "Da tummeln sich so viele Häuptlinge, da gibt es fast keine Indianer mehr. Aber ich erreiche andere Politiker und Leute aus der Medienbranche, die dann als Multiplikatoren agieren", sagt die Expertin. Merkbar sei das etwa bei TV-Debatten, da gehe es dann darum, über Twitter die Deutungshoheit über Aussagen zu behalten. Gespannt ist Denkmayr, ob Snapchat mal ein Thema werde, das in den USA immer beliebter wird. "Das ist der Ort, der Facebook früher mal war. Wo ich meine persönliche, authentische Seite zeigen kann."

Positiv aufgefallen ist Denkmayr die Weiterentwicklung im Video-Bereich, wo sich abseits gewisser "Ausrutscher" einiges getan habe. Hier habe aber Facebook YouTube als wichtigstes Medium abgelöst: Während beim Video-Portal eine Abspielzeit von 20 Sekunden notwendig ist, um als Aufruf zu gelten, reichen bei Facebook drei Sekunden."

KLAUS KNITTELFELDER, STEFAN TAUSCHER