"Younow" also: Schon der Name klingt für viele Jugendliche überaus verlockend, wie der ganz persönliche Fernsehsender, noch direkter und unkomplizierter als YouTube. Die Idee ist simpel: Filme Dich selbst - wobei auch immer - und übertrage die Bilder davon gleich direkt in das Netz, damit alle sie sehen können. Vor die Kamera setzen, in die weltweite Auslage stellen und dann ab die Post. Ein Konzept, das für vor allem für Kinder und Jugendliche am nicht immer einfachen Weg zur Selbstfindung überaus attraktiv wirkt. Die virtuelle Vitaminpille für das eigene, oft noch lange nicht voll ausgeformte Ego.

"Eigene Kraft sichtbar machen"

Es ist ein Selfie in Bewegtbildern und live, die Online-Plattform soll dabei helfen, "sich selbst auszudrücken" und "die eigene Kraft sichtbar zu machen." Was schön gefärbt beworben wird, hat allerdings längst Schutzorganisationen und die Politik auf den Plan gerufen: Das deutsche Familienministerium warnte bereits wiederholt vor der Website: Wenn man sich die technologische und moralische Entwicklung der letzten Jahre ansieht, wohl nicht zu unrecht: Jugendliche geben zu viel von sich preis - was auch fatal enden kann. Stichworte: Cyber-Mobbing und sexuelle Belästigung. Auch der Weg dorthin wird einem einfach gemacht, der Mantel der Privatsphäre in frühen Jahren abgeworfen.

Ein Schlussverkauf von Persönlichkeitsrechten?

Zuschauen und Chatten funktionieren ohne Anmeldung, benötigt werden Internetzugang, Webcam sowie Rechner oder Smartphone mit Kamera und entsprechender App. Mindestens 13 Jahre alt muss man sein, um den Dienst nutzen zu dürfen, allerdings gab Younow erst vor einer guten Woche Probleme bei der Kontrolle zu: "Insbesondere durch das schnelle Wachstum der Nutzerschaft gab es Ende 2014 vereinzelt Schwierigkeiten bei der durchgängigen Überwachung und der Ahndung von missbräuchlicher Nutzung der Plattform", hieß es zur Situation in Deutschland. Im Jänner 2015 gingen dort bereits 16 Millionen Streams "auf Sendung". Das was so vielen so attraktive erscheint, ist zugleich auch die Crux: Was live gesendet wird, lässt sich "proaktiv" kaum überprüfen.

Die Seite www.juuuport.de zeigte in einem Bericht auf, was auf Younow so zu sehen war:

  • Ein etwa fünf Jahre alter Bub streamte allein.

  • Zwei Kinder (etwa acht Jahre alt) wurden beleidigt ("Ihr seid voll fett").

  • Ein Mädchen (angegebenes Alter 14 Jahre) ließ sich live von einem Mann eine Handynummer schicken und rief diesen Mann vor laufendem Videostream an.

  • Ein Mädchen (etwa zehn Jahre alt) filmte sich im heimischen Badezimmer vor dem Spiegel, erhielt Aufforderungen wie "geh mal baden", sie streamte mit Klarnamen.

  • Zwei Mädchen (angegebenes Alter: 13 Jahre) führten die Zuschauer per Live-Stream durch die elterliche Wohnung.

Sprecher der Plattform wehren sich naturgemäß gegen die immer vehementer vorgebrachten Vorwürfe: "Wir haben ein Moderationsteam, das 24 Stunden am Tag arbeitet, um User zu verbannen, die gegen unsere Bedingungen und Regeln verstoßen". Das erwähnte Familienministerium hält allerdings dagegen: "Altersangaben werden nicht verifiziert und das Angebot lässt sich nicht so einstellen, dass die Zugänglichkeit von Live-Streams beschränkt werden kann. Für Kinder ist der Dienst nicht geeignet."