In Los Angeles wird Anfang Juni traditionell am offenen Herzen der Videospielindustrie operiert. Gigantisch, abgehoben und wie aus einem Science-Fiction-Film entsprungen inszeniert sich die Electronic Enterntainment Expo (kurz: E3) von Dienstag bis Freitag als Nabelschau der digitalen Unterhaltung. In den riesigen Messehallen und Pressekonferenzen zeigen die verbleibenden drei Hardware-Giganten Sony, Microsoft und Nintendo, was im nächsten Jahr in den Konsolen und Computern dieser Welt rotieren soll. Es ist ein Wettkampf der Inszenierung im Stile Hollywoods - wer lauter, bunter und schriller agiert, hat bessere Chancen, die knapp 45.000 Brancheninsider und Journalisten auf der Messe zu begeistern und die frohe Botschaft der kommenden Spiele-Hits in die Welt zu tragen. Doch der Glanz früherer Jahre verblasst.

Treffen unter schwierigen Vorzeichen

Optimismus zu verbreiten steht seit Jahren im Vordergrund. Experten und Insider meinen bisweilen zynisch, dass der Branche ohnehin nichts anderes mehr übrig bliebe. Zwar boomen Videospiele, alleine die aktuelle Konsolengeneration aus Nintendos Wii, Sonys PlayStation und Microsofts Xbox verkaufte sich weltweit bereits mehr als 210 Millionen mal, doch das Geschäft läuft nicht mehr so gut wie früher. Die Branche ist zwar immer noch für einzelne Erfolgsmeldungen gut, für Videospiele wie "Call Of Duty" , die sogar die Einspielergebnisse großer Hollywood-Blockbuster übertreffen. Doch der Jubel verhallt, die Herausforderungen werden größer. Kostenlose Facebook-Spiele wie "Farmville" oder Billig-Games wie "Angry Birds" für Smartphones und Tablets machen den Giganten das Leben schwer.

Neue Geräte werden den Anbietern nicht mehr wie früher aus Händen gerissen. Sonys neue portable "PlayStation Vita" führt ein trauriges Dasein in den Geschäftsregalen, zu teuer ist das Gerät im Vergleich zu den immer günstigeren Smartphones. Spiele, die nach wie vor zwischen 40 und 70 Euro kosten, sind zwar umfangreicher und sehen besser aus als "Angry Birds" - doch reicht das? 99 Cent für den kurzen Spaß zwischendurch, ist das die Zukunft der Branche? Noch wehrt man sich mit Händen und Füßen.

Auf ausgetretenen Pfaden

Sicher ist: Heuer wagt zumindest Nintendo den großen Wurf. Die altersschwache "Wii"-Konsole wird spätestens zum Weihnachts-Geschäft durch die "Wii U" getaufte Nachfolge-Generation ersetzt. Es ist ein riskantes Manöver. Viel zu lange schon, sagen Experten, müssten die Spieler bereits auf neue Hardware warten. Doch die Kosten für Entwicklung und Marketing gehen in die Milliarden, ein Fehlschlag könnte für die mit Verlusten kämpfenden Japaner von Nintendo zum Todesstoß werden. So ergibt sich ein bekanntes Bild: Neue Konsole, alte Spiele. Zum Start der "Wii U" werden vor allem Fortsetzungen alter und erfolgreicher Serien erwartet.

Es ist das wahre Problem der Branche: Frische Ideen fallen dem Druck zu Opfern, Kasse machen zu müssen. Nummer sicher, anstatt dem Mut zum Risiko, der die Branche jahrelang antrieb. Die Software-Entwickler und Spiele-Hersteller aus aller Welt zeigen auf der E3 vor allem Aufgüsse von Altbekanntem. Die lukrativen Ego-Shooter ballern durch die Messehallen, dazu Sportspiele und die verzweifelten Versuche, mit Party-Games für die ganze Familie ein neues Publikum zu erreichen. Journalisten und Experten aus aller Welt zieht daher auch heuer wieder zu den kleinen Ständen am Rande, abseits des großen Schauspiels. Dorthin, wo kleine Firmen mit kreativen Einfällen und neuen Spielen den Weg in die Zukunft zeigen.