Nicht, dass man es ihm ansehen würde: Ein junger Mann im ausgewaschenen Kapuzenpulli, den er auch ins Bett mitzunehmen scheint, noch diesseits der für viele so magischen Altersgrenze von 30 Jahren, bis zu der "man es geschafft haben muss". Dennoch: Mark Zuckerbeg ist Multi-Milliardär und Herr über ein Unternehmen, das sich einen höheren Marktwert als Volkswagen in den Prospekt schreiben darf und an der Börse so viel wert ist wie BMW, Lufthansa und Deutsche Bank zusammen. Facebook und Börse sollen "Freunde werden", man ist bald an der Wall Street notiert - all die Computer, Tablets, Androids und Köpfe, in denen man seinen Fixplatz hat, waren nicht genug.

Der mit dem Midas-Touch

Zuckerberg hatte bislang den "Midas-Touch" - alles, was er berührt, scheint zu Gold zu werden. Bislang. Denn der Beweis, dass er auch an der Börse bestehen wird, steht noch aus - trotz kaum zu begreifender Erfolgszahlen. Immerhin unterliegt der Aktienhandel - zumal in bewegten Zeiten wie diesen - seinen ganz eigenen Gesetzen und Dynamiken. Analysten merkten nicht nur einmal an, dass die optimistischen Erwartungen der Facebook-Führung verfehlt werden könnten. Vor dem vielleicht spektakulärsten Börsengang aller Zeiten war von abflauendem Wachstum und sinkenden Gewinnen die Rede. Wann der Zenit erreicht ist, werden Interesse und Markt vorgeben - und nicht der 28-Jährige: ein erwarteter Firmenwert von 100 Milliarden Dollar und ein (im Moment, als dieser Artikel verfasst wurde) aktueller Aktienpreis von 34 bis 38 Dollar hin oder her.

Der Kundschaft waren Schritte, die Zuckerberg im voraus machte, schon oft zu schnell und zu frech. So mancher User fühlte sich durch neue Richtlinien vor den Kopf gestoßen: Allgemeine Geschäftsbedingungen wurden unter Facebook-Aficionados zum Anlass für allgemeines Ärgernis. Es gibt viel Zukunftshoffnung, werden allerdings strengere Datenschutz-Bestimmungen schlagend, könnte das zum Problem werden, ein fixes Leiberl an der Börse hat auch ein Zuckerberg nicht. Er selbst war nie einer, der neben seinen eigenen Ideen einen "Share-Button" sehen wollte. Er wollte immer seine persönliche Vision von einem durchdringenden Facebook, von einer Soizalkrake, die ihre unzähligen Tentakel nach allen Lebensbereichen streckt, verwirklicht sehen. Auch hier sehen Skeptiker eine Gefahr: Ist man einmal an der Börse, können sich andere in das Geschäft einmischen: zweifellos eine neue Erfahrung für den Harvard-Studienabbrecher.

Facebook ist ein Unternehmen mit gerade einmal 3.500 Mitarbeitern und kaum vorhandenem materiellen Wert. In Wahrheit sind es aber 900 Millionen, die besonders fleißig an und mit dem Produkt arbeiten - Klick für Klick, die meisten davon täglich. Die Milliarden-User-Grenze scheint schon lange nicht mehr utopisch - es ist auch eine auf unglaublicher Beliebtheit basierender Ameisenhaufen, neben dem sich die "Dotcom-Blase", die 2000 mit Getöse zerplatzte, wie ein "Lärcherlschaß" ausnahm. Auch wenn die Konkurrenz - man denke an Google+ ("Teilen wie im richtigen Leben, neu erfunden für das Web") - nicht viel dagegenhalten kann: Facebook ist für viele ein "One-Trick-Pony". Büßt die einzige Leistung, die man de facto anbieten kann, an Attraktivität ein, könnte an der Börse schnell die Strahlkraft verloren gehen. Auch wenn man wegen der (im Vorfeld) starken Nachfrage der Investoren den Startpreis der Aktien sogar noch erhöhte.

"Facebook existiert, um die Welt offener und vernetzter zu machen, und nicht nur, um ein Unternehmen zu sein", ließ Zuckerberg zuletzt wissen. Wer einen Börsengang wagt, dem ist natürlich auch am Geldverdienen gelegen. Facebook existiert nicht nur, um "Freundschaften" zu horten, wie der Gründer das propagiert, sondern auch auf einem gewissen Maß von Exhibitionismus und Neugierde der Beteiligten als Fundament. Der Geld-Gaul galoppierte bislang vor allem durch die Fülle von dort platzierter Werbung - von der offensichtlichen und von der versteckten Sorte: Freundschaften bringen hier Cash, 2011 hat das Unternehmen kolportierte 85 Prozent seiner Dollars mit Werbung verdient, man darf nicht zuletzt in "Geldwert pro User" rechnen. Facebook ist die Summe seiner unzähligen Teile, braucht User zum Überleben dringender als umgekehrt.

User = Werbung = Geld

"Sponsored Stories" sollen die prall gefüllten Kassen noch lauter klingeln lassen, alle Daten von Nutzern werden ausgewertet, um ihnen auf sie zugeschnittene Werbung zukommen zu lassen: Unternehmen erhalten die Möglichkeit, ihren "Fans" regelmäßig und gezielt Nachrichten zu unternehmensrelevanten Themen zu schicken. "Verkaufter Inhalt", nennt sich das auf Deutsch - ein großer US-Heimausstatter z.B. brachte es nur durch ein Gewinnspiel auf 100.000 neue Sympathisanten: Die so eingestrichenen Gelder kann man sich mit Fantasie ausmalen, auch wenn die Summen unter Verschluss bleiben.

Die Welt ist einem Zuckerberg nicht genug - an der Welt der Börse wird aber auch er erst bestehen müssen: Ob er selbst einen "Like"-Button darunter anklicken würde?