Der Wind zerrt am Weinlaub und lässt es rascheln. Erwin Sabathi steht im Weingarten. Seit mehr als 20 Jahren ist der Südsteirer mit Leib und Seele Winzer. In den 90ern nahm er Anleihe am Burgund, probierte das Wissen an den eigenen Stöcken aus. Bis zum sonnenverwöhnten Jahr 2007, als er plötzlich keine Lust mehr hatte, üppigen Wein zu trinken. Aromen von Stachelbeere bis Mango waren im Sauvignon zu schmecken. "Das hatte nichts mehr mit Terroir zu tun", sagt Sabathi. "Das hat mich wachgerüttelt."

Da ist es wieder - Terroir, ein Modewort der Weinwelt - viel strapaziert, mit "Herkunfts- oder Anbaugebiet" übersetzt und oft nur als Bodenbeschaffenheit interpretiert. Doch es ist mehr als das. Als "die Summe aller Einflüsse auf den Weinstock, die sich in der Flasche widerspiegeln", umschreibt Winzer Armin Tement den Begriff.

Identität "Terroir ist ein hochkomplexes Thema", betont auch Weinbauer Willi Sattler. "Boden und Klima spielen eine ebenso große Rolle wie der Mensch. Er muss das Potenzial der Region erkennen und die Bewirtschaftung danach ausrichten." Ein tiefes Bekenntnis zur Herkunft also - warum aber entwickelte sich die Regionalität überhaupt zum Thema? In den 90ern waren die Konsumenten an den üppigen Geschmack gewöhnt, der Ertrag pro Lage war größer als heute - das brachte mehr Erlös. Im Weingut Tement etwa beläuft sich der Durchschnittsertrag pro Weinstock auf rund einen Kilo Trauben, früher war er doppelt so hoch.
Warum geißelt man sich für die Identitätsfindung, wenn man es einfacher haben könnte? "Wir wollen unverwechselbar sein", bringt es der Stradener Winzer Christoph Neumeister auf den Punkt. "Es muss einen Grund geben, steirischen Wein zu trinken." Und Winzerin Katharina Tinnacher aus Gamlitz führt aus: "Die Herkunft ist das wertvollste Gut, das wir haben. Sie ist limitiert, jede Lage hat nur eine gewisse Größe. Das macht den Wein wertvoll. Langfristig kann man nur so ein Profil entwickeln."

Retro
Was heute in die Flasche kommt, ist wie der Sausaler Winzer Gerhard Wohlmuth es ausdrückt, "ein bisserl retro". Möglichst unbehandelt, mit durchwegs gesunden Trauben und einem beachtlichen Lagerpotenzial. "Zwischendurch hat man den Weinen nicht mehr die Zeit gegeben, die sie brauchen", resümiert Wohlmuth.

So präsentiert sich der steirische Wein "ohne Schminke", wie Neumeister sagt. Eleganter als in den 90ern, feingliedriger und vielschichtiger. Im Sausal prägen ihn die rund 200 Millionen Jahre alten Schieferböden, in der Oststeiermark das Vulkangestein, in der Südsteiermark Muschelkalk und Sand, in der Weststeiermark Sedimente. Man hat gelernt, den besten Standort für jede Traube zu finden. "Muskateller passt gut auf Schotter, Burgunder auf Kalk", zählt Tinnacher auf.

International
Innerhalb der einzelnen Lagen ist der Unterschied zu schmecken. Ob der internationale Gast ihn bemerkt? "Es wird gezielt nach steirischem Wein gefragt", sagt Sommelier Hermann Lankmaier von der "Burg" in Oberlech. Terroir müsse man heute herausschmecken. "Das ist Heimatwein, egal, wo diese Heimat liegt."

Für eine engere Herkunftsbezeichnung bei Gebietsweinen setzt sich Winzer Manfred Tement ein. Er plädiert dafür, innerhalb einer Region auf eine Stilrichtung hinzuarbeiten, und das auch auf dem Etikett auszuweisen. "Wir sollten einen gemeinsamen Nenner finden", erklärt er. "Sauvignon steht überall drauf", sagt er. "Es sollte auch gelingen, die Herkunft zu verkaufen."

"Terroir muss man herausschmecken. Das ist Heimatwein, egal, wo diese Heimat liegt, ob im Burgund oder in der Steiermark."

Hermann Lankmaier, Sommelier des Jahres 2013