Rund 70 Millionen Menschen in Europa sind chronisch nierenkrank, doch die wenigsten Betroffenen wissen davon, sagten Experten bei einer Pressekonferenz in Wien. Am Sonntag beginnt in der Bundeshauptstadt der Europäische Nierenkongress mit rund 8000 Teilnehmern.

Weil sich chronische Nierenschäden schleichend und zunächst symptomlos einstellen, wird die Diagnose oft viel zu spät gestellt. "Die Patienten merken die Krankheit sehr spät, zumeist erst, wenn die Nierenfunktion nur noch 20 bis 30 Prozent beträgt. Ab einem Wert von nur noch zehn bis 15 Prozent sprechen wir von der Notwendigkeit einer Nierenersatztherapie", betonte Alexander Rosenkranz, Nephrologe an der MedUni Graz.

Diabetes und Bluthochdruck

Es sind längst bekannte Risikofaktoren, die die Entwicklung einer Niereninsuffizienz fördern. Karl Lhotta, Präsident der österreichischen Fachgesellschaft, sagte: "Die treibenden Kräfte sind Diabetes und der Bluthochdruck. Ein Drittel aller Diabetiker entwickelt auch eine 'Nierenbeteiligung'. 25 bis 30 Prozent der Erwachsenen sind Hypertoniker. Jeder dritte bis fünfte Mensch mit Bluthochdruck bekommt Nierenprobleme."

An sich nimmt die Nierenfunktion des Menschen ab dem 45. Lebensjahr jährlich um ein bis zwei Prozent ab. Bei einem Restwert von unter 60 Prozent sprechen die Experten von einem signifikanten Nierenschaden. Bei Patienten mit zum Beispiel schlecht eingestelltem Blutzucker oder nicht kontrolliertem hohen Blutdruck kann die Filterkapazität der Nieren pro Jahr um bis zu 15 Prozent abnehmen und schließlich ziemlich schnell endgültig versagen.

1200 neue Patienten por Jahr

Das trifft auch auf viele Patienten in Österreich zu. "Pro Jahr müssen rund 1200 Patienten neu in die Nierenersatztherapie (Dialyse) aufgenommen werden", sagte der Innsbrucker Nephrologe Gert Mayer. 2014 befanden sich rund 9.100 Menschen in Österreich in Nierenersatztherapie. 49 Prozent davon waren auf Dialyse angewiesen, der Rest hatte eine Spenderniere erhalten.

Zwar geht der Anteil der Diabetiker an den Patienten mit Nierenersatztherapie durch die verbesserte Behandlung der Zuckerkrankheit zurück, die Zahlen steigen aber an, weil auch die Sterblichkeit der Patienten um rund ein Drittel gesunken ist.

Frühzeitig erkennen

Das beste Gegenmittel wäre das frühzeitige Erkennen von Risikopersonen - und dann die konsequente Behandlung von Diabetes, Bluthochdruck und anderen Risikofaktoren. In der Steiermark wurde mit "nieren.schützen" ein solches Screeningprogramm etabliert. Vor allem die niedergelassenen Ärzte sollen bei Bluthochdruck und/oder Diabetes, Übergewicht (BMI größer 30) bzw. einem Fall von Nierenversagen in der Familie die notwendigen Laboruntersuchungen (Kreatinin im Blut und Eiweißausscheidung mit dem Harn) veranlassen.