Schon mit der ersten Frage fühle ich mich ertappt. „Trägst du öfter hohe Schuhe?“, fragt Andreas Jocham, ohne den Blick vom Laptop zu heben. „Ach, früher, manchmal, nicht sooo oft“, stammle ich und gehe noch einmal über die Druckplatte, die meinen Füßen dunkle Geheimnisse entlockt.

Der digitale Fußabdruck
Der digitale Fußabdruck © Ballguide/Pajman

Im anschließenden Gespräch erklärt Physiotherapeut Jocham, dass der rote Zacken, der aus der Mitte meines digitalen Fußabdrucks emporragt, der Verräter war: Er zeigt, wie hohe Absätze mein Gangbild bereits verändert haben. Doch dabei habe ich noch gar nicht gemacht, wofür ich hier bin – zum Laufen nämlich.

Druckplatte und Laufband

Zum Arbeitsgerät von Jocham gehört nicht nur die detektivische Druckplatte, sondern auch ein Laufband, das von zwei Kameras überwacht wird. Mit diesen Utensilien wird hier bei SpoWiMed der Sportunion Steiermark analysiert, wie man läuft. „Zu uns kommen Leute, die beim Laufen Schmerzen bekommen“, sagt der Physiotherapeut.

Er und seine Kollegen betreiben Ursachenforschung: „Dort, wo es wehtut, liegt nicht unbedingt das Problem.“ So sei die Ursache für das typische „Läuferknie“ meist eine Instabilität in der Hüfte, die wiederum die Sehnen überstrapaziert. „Das tut im Knie höllisch weh, hat mit dem Knie aber nichts zu tun“, sagt Jocham.

60 Bilder pro Sekunde

Eines vorweg: Ich gehöre nicht zur typischen Klientel der SpoWiMed. Ich laufe nur zum Spaß und nicht Bestzeiten hinterher und habe dabei auch keine Schmerzen. Laut Jocham haben aber echte Marathonis und Hobbyläufer ohnehin die gleichen Schwachstellen und da Vorsorge ja besser als die Sorge danach ist, lasse ich mir auf die Laufschuhe schauen: Zwei Kameras beobachten, wie sich das Laufband in Bewegung setzt, und halten mit 60 Bildern pro Sekunde jeden Schritt fest. „Sehen Sie schon Fehler?“ Die besorgte Frage lässt den Experten für Bewegungsanalyse milde lächeln.

„Die Beinachsen sind gut stabilisiert“, ist die erste Diagnose bei der nachfolgenden Videoanalyse – und ein kleiner Triumph. Der Unterschenkel steht halbwegs senkrecht, der Knöchel knickt nicht übermäßig ein. „Ich sehe keine gröberen Schwachstellen“, ist das Urteil des Experten.

Natürlich, die Hüfte könnte stabiler sein, auch die Bauchmuskeln hätten sich Nachhilfestunden verdient – die richtigen Übungen dafür bekomme ich gezeigt.

Mehr als Kräftigung

„Es reicht meist nicht, die Muskeln nur zu kräftigen“, sagt Jocham. Der Muskel müsse auch wieder lernen, zum richtigen Zeitpunkt aktiv zu werden. Das funktioniert nicht über Anweisungen, wie man den Fuß hinstellen oder das Knie beugen soll. „Wenn man sich auf die Bewegung konzentriert, wird sie meist schlechter ausgeführt“, sagt der Experte.

Vielmehr geht es um unterbewusste Beeinflussung: Die passende Übung, vor dem Laufen ausgeführt, erinnert den Muskel daran, wie er arbeiten soll. Und auch kleine Hilfsmittel, wie ein Metronom, das via Handy im Ohr tickt, stellen sicher, dass die Schritte nicht zu lang werden – auch das sei ein häufiger Fehler, der zur Überlastung führen kann, sagt Jocham.

Mich lässt die Laufanalyse sorgloser in die Laufschuhe schlüpfen – und die hohen Absätze verschwinden ganz hinten im Kasten.