Vielleicht liegt es am Namen: Polyneuro. . . was? „Die Polyneuropathie ist ein wenig ein Stiefkind“, sagt der Wiener Neurologe Udo Zifko und meint, dass das Bewusstsein für diese Erkrankung in Österreich noch mangelhaft ist. Und das obwohl es wohl etwa eine Million Betroffener gibt und diese Erkrankung des Nervensystems die Lebensqualität massiv einschränkt.

Was ist die Polyneuropathie? „Die Polyneuropathie ist eine Schädigung der Nerven in den Randgebieten des Körpers“, sagt Neurologe Stefan Quasthoff (MedUni Graz) und erklärt: Die Nerven laufen wie dünne Kabel durch den Körper und übertragen die Reize vom Gehirn. Diese Leitungen sind sehr empfindlich, und je länger das Kabel ist, desto häufiger tritt eine Schädigung auf. „Daher sind die Füße am häufigsten betroffen“, sagt Quasthoff.

Wie äußert sich diese Nervenschädigung? Die Schädigung der Nerven führt zu unterschiedlichen Gefühlsstörungen: von Taubheit und dem Gefühl, dass Ameisen über die Haut laufen, über Brennen und ein Unruhegefühl bis zu starken Schmerzen. „Typisch ist, dass man bei Bewegung weniger Beschwerden hat als bei Ruhe“, sagt Quasthoff. Diese Beschwerden schränken nicht nur die Lebensqualität massiv ein: Der Gang wird unsicher, es kommt öfter zu Stürzen, die wiederum Verletzungen nach sich ziehen.

Welche Ursachen stecken dahinter? Diabetes ist die führende Ursache: „Innerhalb von fünf Jahren hat jeder zweite Diabetiker eine Polyneuropathie“, sagt Zifko. Alkoholmissbrauch schädigt die Nerven ebenso wie Gifte. „Nerven haben ein Gedächtnis wie ein Elefant“, sagt Quasthoff. So könne es sein, dass man in jungen Jahren mit einem Giftstoff in Berührung kam (z. B. bei der Arbeit mit Lacken) und die Folgen erst Jahrzehnte später spürt. Auch Chemotherapien oder Herzmedikamente können die Nerven schädigen. Es gibt auch erbliche Formen der Polyneuropathien. „Diese erblichen Formen werden wir in Zukunft auch ursächlich behandeln können“, sagt Quasthoff.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es? Für erbliche Formen gibt es heute schon Therapien, die die Krankheit in ihrer Ursache behandeln – Enzymersatztherapien können die Schäden an den Nerven teilweise „beheben“. Bei allen anderen Formen können nur die Beschwerden gemildert bzw. die Grunderkrankung behandelt werden. Ein Diabetiker sollte gut eingestellt sein, sowohl zu hoher wie auch zu niedriger Zucker schadet den Nerven. Es gibt Medikamente, die zwar nicht das Taubheitsgefühl, aber die Schmerzen lindern können: Hier werden Anti-Epileptika und Psychopharmaka eingesetzt, die man auch über lange Zeit nehmen kann. Doch: Man kann sich auch selbst helfen.

Was kann ich selbst tun? „Eine einfache, aber sehr wichtige Maßnahme ist Bewegung“, sagt Quasthoff. Wer 20 bis 30 Minuten pro Tag geht, stimuliert seine Nervenfasern und verbessert damit seine Beschwerden.
Wie wird eine Polyneuropathie festgestellt? „Oft reicht schon die Beschreibung der Symptome“, sagt Quasthoff. Der erste Weg sollte Betroffene zum Hausarzt führen, der dann an einen Neurologen weiterverweist.