Die "härsteste Nuss", die es für die 20.000 Spezialisten beim Krebskongress in Wien zu knacken gilt, ist der Lungenkrebs: Es ist ein Wettlauf mit dem Rauchen, für effektive Früherkennung und wirkungsvollere Therapien.

Täglich sterben 1000 Menschen

"Täglich wird in der EU bei 1100 Menschen ein Lungenkarzinom diagnostiziert. Täglich sterben daran rund 1000 Menschen. Pro Jahr sind das 353.000 Tote. Die Mortalität durch Lungenkrebs steigt international pro Jahr um 4,7 Prozent an", erläuterte bei dem Mammutkongress der deutsche Lungenkarzinomspezialist Martin Reck (Lungenklinik Großhansdorf bei Hamburg). 2013 starben an einem Lungenkarzinom in Österreich 2537 Männer und 1357 Frauen. Die Chancen sind deshalb so schlecht, weil 75 Prozent der Diagnosen zu spät für eine heilende Behandlung gestellt werden.

Zu 85 Prozent Raucher

Die Relation zwischen Neudiagnosen und Todesfällen der zu 85 Prozent auf Raucher entfallenden Krankheit zeigt die aktuellste in Wien bei dem Kongress präsentierte Statistik: Im Durchschnitt von 28 bzw. 29 Staaten überleben in Europa 12,9 Prozent der Lungenkarzinompatienten fünf Jahre (Österreich mit Spitzenplatz: 16,1 Prozent). Hingegen überleben in Europa durchschnittlich 81,8 Prozent der Brustkrebspatientinnen zumindest fünf Jahre.

Häufigste Krebsform: Lungenkrebs

Die weltweiten Zahlen sind genauso erschütternd. Lungenkrebs ist die häufigste Krebsform und die führende Krebs-Todesursache bei Männern in 91 Staaten und bei Frauen bereits in 17. Das entspricht pro Jahr 1,82 Millionen neuer Fälle und 1,6 Millionen Toten im Jahr 2012.

Nur massive und wirksame Maßnahmen, das Tabakrauchen weltweit drastisch zurückzudrängen, können langfristig etwas ändern. Auch daran scheitert es in vielen Staaten der Erde. Doch Lungenkarzinome haben eine "Rauch-Vorlaufzeit" von 20, 30 und mehr Jahren. Epidemiologisch ist also das Unglück für Millionen Menschen bereits geschehen. Die Konsequenzen eines weltweiten sofortigen Rauchstopps ließen sich beim Lungenkrebs erst in Jahren beobachten.

Gegenmittel: Frühdiagnostik

Ein Gegenmittel könnte effektive Frühdiagnostik sein. Hier gibt es seit einigen Jahren die Low-Dose-Computertomografie mit wissenschaftlich belegtem Erfolg. Die US-Radiologin Claudia Henschke (Harvard University/Boston) analysierte am Samstag beim Europäischen Krebskongress die Situation: "Die Nationale US-Lungenkrebs-Früherkennungs-Studie hat ihr Ziel einer 20-prozentigen Reduktion der Lungenkrebsmortalität (durch regelmäßige CT-Untersuchungen im Vergleich zum herkömmlichen Röntgen bei Rauchern; Anm.) bei den 53.454 Teilnehmern erreicht. Sie war auf den Beweis eines minimalen Effekts eines solchen Programms ausgelegt." Der wirkliche Gewinn könnte bei Früherkennungsprogrammen deutlich größer sein.

Aufgenommen in die 2011 publizierte Studie hatte man ausschließlich Personen im Alter zwischen 55 und 74 Jahren mit mehr als 30 Jahren täglich einer Packung Zigaretten oder solche Raucher, die innerhalb der vorangegangenen Jahre mit dem Rauchen aufgehört hatten."

Früh genug erkennen

Der Grund für die in der US-Studie verringerte Lungenkrebsmortalität, wie Henschke feststellte: "In der CT-Gruppe wurden 62 Prozent der Lungenkarzinomerkrankungen im Stadium I (zumeist heilbar; Anm.) erkannt. In der Gruppe mit Röntgenuntersuchungen waren es nur 37 Prozent." Die italienische Spitzenexpertin Giulia Veronesi vom Europäischen Onkologie-Institut in Mailand fügte hinzu: "Bei nur 16 Prozent der Lungenkrebspatienten wird die Krankheit diagnostiziert bevor sie sich ausgebreitet hat. In der (US) I-ELCAP-Studie konnte gezeigt werden, dass man 78 Prozent Langzeit-Überleben von Lungenkarzinompatienten durch Frühdiagnose erreichen kann."

Österreich und Europa werden sich schon bald der Frage der Etablierung von Früherkennungsprogrammen stellen müssen. Henschke: "In den USA zahlen das seit Anfang dieses Jahres die privaten Krankenversicherungen. Die öffentlichen Kostenfinanzierer Medicare und Medicaid haben damit begonnen. Nächstes Jahr beginnt damit die Veterans Administration des US-Militärs."

WOLFGANG WAGNER, Austria Presseagentur