Österreichs Kinderchirurgen schlagen Alarm: 10.000 Kinder und Jugendliche unter 14 Jahren sind 2013 fälschlicherweise an Erwachsenenabteilungen der Allgemein- und Unfallchirurgien versorgt worden. Die Forderung nach Ausbildung in Kindermedizin wird von der "Erwachsenenchirurgie" abgelehnt, sagte der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendchirurgie, Johannes Schalamon.

Schalamon (Universitätsklinik Graz), der Fachgruppenobmann für die Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendchirurgie (ÖGKJCH), Alexander Rokitansky (SMZ-Ost in Wien), sowie der Sekretär der Fachgesellschaft, Thomas Petnehazy (LKH Graz), haben zwei geharnischte Stellungnahmen losgelassen.

Behandlung ohne Ausbildung

Aus Anlass des bevorstehenden Weltkindertages (1. Juni) schrieben sie: "Laut einer Erhebung der Gesundheit Österreich GesmbH werden im chirurgischen Bereich gerade einmal die Hälfte der Null- bis vierjährigen Kinder von speziell ausgebildeten Kinder- und Jugendchirurgen operiert, bei den Zehnjährigen sinkt die Rate auf ca. 35 Prozent. 10.000 Kinder und Jugendliche unter 14 Jahren wurden allein 2013 in Erwachsenen- bzw. unfallchirurgischen Abteilungen versorgt."

Auch im nicht-operativen Bereich liege die Rate der Kinder und Jugendlichen, die an spezialisierten Kinderabteilungen behandelt werden, nur bei etwa 80 Prozent. Fazit: "Somit werden in Österreich viele Kinder und Jugendliche von Ärztinnen und Ärzten der Erwachsenenmedizin behandelt, die im Kinderbereich bis dato keine geregelte Ausbildung haben."

Keine optimale Versorgung

Schalamon lieferte dazu die Detaildaten: Im Jahr 2013 wurden in Österreich rund 48.000 Kinder und Jugendliche bis 14 Jahre an chirurgisch tätigen Abteilungen aufgenommen. Auf kinderchirurgischen Abteilungen mit entsprechend speziell vorhandenem Know-how landeten rund 21.000 Patienten aus dieser Altersklasse.

Der Kinderchirurg: "9678 Aufnahmen gab es auf Allgemeinchirurgien und auf den unfallchirurgischen Abteilungen, weiters 2658 auf urologischen Abteilungen." Dies sei mehr als anzuzweifeln, wenn man die optimale Versorgung der österreichischen Kinder und Jugendlichen im Auge habe. Expertise sei verlangt: "Es geht dabei um genaue Kenntnis des kindlichen Organismus, um das Erkennen und Behandeln von Kinder-Notfällen, das Beherrschen einer altersgerechten Schmerz- und Infusionstherapie und den sensiblen Bereich von Missbrauch und Misshandlung von Kindern und Jugendlichen.

"Attraktives Krankengut"

Warum die Situation so ist, darüber hat man bei den Kinderchirurgen gesundheitspolitischen und standespolitischen Verdacht. "Falsche Sparpolitik in der Kindermedizin", hieß es in der Stellungnahme der Fachgesellschaft. Hinzu kommt laut Schalamon: "Kinder sind für viele Chirurgen ein 'gutes und attraktives Krankengut'. Und wenn man die Betten voll haben will, dann nimmt man halt vor allem in peripheren Krankenhäusern auch noch die Kinder in die Erwachsenenabteilungen."

Einen Sturmlauf gegen die schon in den kommenden Tagen innerhalb der Ärztekammer zu verabschiedende neue Ausbildungsordnung haben die Kinderchirurgen ebenfalls gestartet. So seien in der Ausbildung zum Allgemein- und Viszeralchirurgen, in der Gefäßchirurgie, Neurochirurgie, Plastischen Chirurgie, Thoraxchirurgie, Orthopädie und Traumatologie (Unfallchirurgie), Kieferchirurgie und Frauenheilkunde und Geburtshilfe und Dermatologie keine eigenen "Kindermodul"-Ausbildungsabschnitte enthalten.

"Sie wollen nicht lernen"

"Das 'Kindermodul' haben wir entwickelt. Das gibt es. Aber alle anderen chirurgischen Fachdisziplinen haben das abgelehnt. Behandeln wollen's zwar, aber sie wollen's nicht lernen", meinte Schalamon gegenüber der APA. Eitelkeiten und mangelndes Bekenntnis zur Qualität in der medizinischen Versorgung der österreichischen Kinder seien offenbar die Gründe für dieses Vorgehen.