Gustav* war ein richtiger Wonneproppen, kerngesund, auch bei den ersten Untersuchungen gab es keine Auffälligkeiten. Mit einem Jahr hat er jedoch angefangen, sich zu verletzen. Er schlug zum Beispiel mit dem Kopf gegen die Wand. Das war für mich sehr erschreckend, auch die Kinderärztin wusste keinen Rat.

Kein Interesse an anderen

Ich besuchte mit Gustav eine Müttergruppe und da fielen mir die Unterschiede zwischen meinem Sohn und anderen Kindern auf. Die anderen haben schon Lieder gesungen und Reime aufgesagt. Gustav konnte mit zwei Jahren zehn Worte sprechen, er hatte kein Interesse, mit anderen zu spielen. Er saß für sich allein und reihte Spielzeugautos aneinander. Immer in der gleichen Reihenfolge. Habe ich ihn unterbrochen, wurde er sehr wütend.

Selbstzweifel

Ich begann an mir zu zweifeln, fragte mich: Habe ich etwas falsch gemacht? Erst mit fünf Jahren wurde auf der Kinderklinik festgestellt, was mein Sohn Autismus hat. Das war für mich eine große Erleichterung, endlich zu wissen, was los ist. Mir war es sehr wichtig, dass Gustav so sehr gefördert wird wie möglich.

Mein Sohn hat Defizite in der Sprache und im sozialen Verhalten, auch seine Intelligenz ist vermindert. Ich konnte ihn nie allein lassen, da er immer wieder Phasen hatte, in denen er sich selbst verletzte. Er riss sich die Haare aus oder biss an den Nägeln, um Stress abzubauen.

Wutausbrüche

Gustav wurde älter, doch der Betreuungsaufwand nicht weniger. Auch musste ich meinen Sohn immer erklären, wenn er Wutausbrüche hatte oder durch wiederholende Lautäußerungen auffiel. "Was ist mit dem Kind los?", hörte ich sehr oft. Andere dachten bei Autismus an "Rain Man" und meinten, ich könne mit Gustav im Casino viel Geld verdienen. Gustav hat keine besondere Begabung, er kann nicht über Emotionen sprechen oder mitteilen, was er gerade braucht.

Stolz auf Sohn

Heute ist er Mitte zwanzig und lebt in einer betreuten Einrichtung. Was Gustav braucht, ist klare Struktur, einen Tagesplan. Ich bin sehr stolz auf ihn und wünsche mir, dass er ein glückliches Leben führen kann.

*Name geändert

SONJA SAURUGGER