Frau Turecek, in Ihrem neuen Hörbuch laden Sie zu einem Gehirnspaziergang ein. Warum soll man gerade beim Spazierengehen sein Hirn trainieren?
KATHARINA TURECEK: Bewegung ist ein wichtiger Faktor, um das Gehirn gesund zu erhalten. Von Ausdauersportarten wie Radfahren, Schwimmen und Gehen weiß man, dass sie sich positiv auf das Gehirn auswirken. Bewegung fördert die Durchblutung und die Nervenzellen werden besser mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Das Gehen sticht als besonders positiver Einfluss auf die geistige Leistungsfähigkeit hervor. Es werden vermehrt Botenstoffe ausgeschüttet und auch die Bildung neuer Nervenzellen im Gehirn wird gefördert. Gehen ist damit eine Art Jungbrunnen für das Gehirn.

Katharina Turecek, Medizinerin und Kognitionswissenschaftlerin
Katharina Turecek, Medizinerin und Kognitionswissenschaftlerin © kk

Weiß man, warum gerade das Gehen so positiv wirkt?
TURECEK: Es lässt sich evolutionär erklären: Früher ist der Mensch viel mehr gegangen, das Gehen hat uns auf neue Lebensräume und Herausforderungen vorbereitet. Gehen alleine ist schon Gehirntraining und diesen Effekt kann man durch gezielte Übungen verstärken.

Die erste Station des Spaziergangs ist die Achtsamkeit, die gezielte Aufmerksamkeit auf kleine Dinge: Werden wir vergesslicher, weil das Gehirn von der heutigen Lebenswelt überfordert ist?
TURECEK: Diese Überforderung liegt an der Menge der Eindrücke, die ständig auf uns einprasseln, und an der Geschwindigkeit des Alltags. Dazu tragen die neuen Medien mit den ständigen Reizen, aber auch unsere schnellen Fortbewegungsmittel, die nicht unserem natürlichen Tempo entsprechen, bei. Das Gehen ermöglicht zu entschleunigen.

Was bringt uns Gehirntraining?
TURECEK: Die geistige Gesundheit wird immer wichtiger, auch um der Demenz vorzubeugen. Aber es ist noch nicht ganz durchgedrungen, dass wir die geistige Fitness durch Training selbst beeinflussen können. Wie bei der körperlichen Fitness bestimmt auch beim Gehirn die Aktivität, ob ich fit bin oder nicht. Wenn ich mich immer auf Gedächtnishilfen stütze, werde ich mir nicht mehr viel merken können. Man muss sein Gehirn nutzen und fordern, so wie man seinen Körper trainiert.

Wie kann man Gehirntraining in den Alltag integrieren?
TURECEK: Ich empfehle, das Gehirn dort zu trainieren, wo man es braucht. Kennt man keine Telefonnummern mehr, weil sie alle gespeichert sind, kann man sie wieder eintippen und so merken. Oder man lässt die Einkaufsliste absichtlich zu Hause. Wichtig sind auch Wortfindungsübungen: mit sich selbst zu sprechen, indem man Tätigkeiten oder Umstände beschreibt, kann die Ausdrucksfähigkeit verbessern.

Ernährung spielt eine Rolle fürs Gehirn: Oft ist die Rede von Brainfood und Wundermitteln, die das Gehirn dopen. Gibt es so etwas?
TURECEK: Mit der Ernährung fürs Gehirn ist es wie mit einem Orchester: Ein großartiger Solist kann ein schlechtes Orchester nicht retten. So wird das eine Wundermittel eine allgemein schlechte Ernährung nicht ausgleichen. Gesunde Ernährung ist auch für unser Gehirn gut. Aber dieses eine Lebensmittel, das uns schlauer macht, das gibt es nicht.