Sie hat in ihrem Leben keine Zigarette geraucht und trotzdem ist sie an Lungenkrebs gestorben. Oder: 50 Jahre lang war er Kettenraucher und ist trotzdem gesund über 90 Jahre alt geworden. Geschichten wie diese kennt jeder und sie zeigen: Krebs hält sich an keine Spielregeln. Die Frage „Warum ich?“, die Betroffene nach der Diagnose Krebs oft quält, lässt sich in vielen Fällen nur so beantworten: Es war Pech.

Eine Studie des renommierten US-Krebsforschers Bert Vogelstein, die den Faktor Schicksal für viele Krebserkrankungen nachwies, wurde in den letzten Wochen heftig diskutiert. Weil sie gerade das nicht sein soll, was viele Kritiker befürchteten: eine Absage an die Krebsvorsorge.

Das System gerät aus der Balance

Fakt ist: Es gibt ein Grundrisiko, an Krebs zu erkranken, das unserer Biologie innewohnt. Unsere Zellen teilen sich, dabei kann es zu Fehlern kommen, durch die entartete Zellen entstehen – Krebszellen. „Das ist per se noch nicht schlimm“, sagt Michael Gnant, Leiter von Österreichs erfolgreichster Krebs-Studiengruppe ABCSG. „Der Körper hat Reparaturmechanismen entwickelt, um diese Zellen zu finden und zu eliminieren.“ Erst wenn dieses System aus Entartung und Reparatur aus der Balance gerät, beginnt Krebs zu wuchern.

Ein biologischer Unfall

Die Studie von Vogelstein hat nun aufgezeigt, dass in Gewebearten, in denen sich Stammzellen öfter teilen, auch das Krebsrisiko höher ist. Bestes Beispiel sind die Nachbarorgane Dünndarm und Dickdarm: Während Dickdarmkrebs zu den häufigsten Tumoren in Österreich zählt, ist Dünndarmkrebs sehr selten – da sich die Zellen des Organs nicht so oft erneuern.

„Krebs lässt sich mit dem Risiko eines Autounfalls vergleichen“, sagt Hellmut Samonigg, leitender Onkologe am LKH-Uniklinikum Graz. Das Unfallrisiko hänge maßgeblich davon ab, wie lange man fährt. Soll heißen: Je älter man wird, desto größer ist auch das Krebsrisiko. Der zweite Faktor sei die Straßenqualität, also die Umweltfaktoren, die auf einen einwirken. Beim Krebs ist das allen voran das Zigarettenrauchen, das viele Krebsformen begünstigt. Aber auch zu viel Sonne, zu wenig Bewegung und schlechte Ernährung erhöhen das Risiko für den biologischen Unfall Krebs.

Zusammenspiel der Faktoren

Schließlich hat auch die Qualität des Autos einen Einfluss auf das Unfallrisiko – so wie es Krebsarten gibt, die durch eine genetische, also eingebaute Veränderung im Körper ausgelöst werden. Dieser Prozentsatz an „Krebsfamilien“ ist aber gering. „Es gibt leider Situationen, in denen es trotz Top-Auto und perfekter Strecke zu Unfällen kommt“, sagt Samonigg und führt den Vergleich zu Ende. Das Pech kann also die alleinige Ursache sein – meist wirken aber alle Faktoren zusammen.

Aber: „Wenn wir die Entstehung schon nicht verhindern können, wollen wir den Krebs zumindest in einem Stadium entdecken, in dem er heilbar ist“, sagt Michael Gnant. Früherkennung, wie es sie für Brust-, Darm-, Haut-, Gebärmutter- und Prostatakrebs gibt, sei das Mittel dafür. Doch die Zukunftshoffnungen klingen kühner: Biomarker sind dabei das Schlüsselwort.

Träume von Krebsforschern

Mit hochsensiblen Tests anhand einer einfachen Blutprobe genetische Marker erkennen, die das Krebsrisiko oder ganz frühe Vorstufen anzeigen – so sehen Träume von Krebsforschern aus. „Da sind wir aber noch nicht sehr weit“, schränkt Gnant ein. Bis es so weit ist, bleibt das Vertrauen in immer bessere Therapien.

"Die besten Heilungschancen hat man, wenn man eine kompetente schulmedizinische Behandlung in Anspruch nimmt", sagt Paul Sevelda, Präsident der Österreichischen Krebshilfe. Immer wieder erlebe er, dass sich Menschen in die Hände von Wunderheilern begeben. "Das ist ein schweres Versäumnis", sagt Sevelda. Die moderne Krebstherapie sei umfassend: "Es geht nicht nur um Medikamente", sagt Sevelda, "sondern um Begleitung".