Nach einer Extremsituation ist eine notfallpsychologische Betreuung essenziell, betonte Cornel Binder-Krieglstein vom Berufsverband Österreichischer Psychologen (BÖP) im Gespräch mit der APA. Nach den dramatischen Stunden in der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung in Klosterneuburg betreute er die Geisel.

Obwohl er zu diesem konkreten Fall aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht nichts sagen dürfe, schilderte Binder-Krieglstein den generellen Ablauf. Die ärztliche Versorgung stehe natürlich an erster Stelle, doch gleich danach stünde die Notfallpsychologie, die trotz aller Verbesserungen noch nicht lückenlos nach extremen Belastungssituationen angeboten würde.

Einen spektakulären Verkehrsunfall mitanzusehen, sei schon eine Belastung, wenn dann noch ein Waffengebrauch dazu käme, man selber bedroht wird und das für einen längeren Zeitraum, kämen sehr viele Faktoren zusammen, so der Experte. An erster Stelle stünde für den Notfallpsychologen ein Screening, um einen Angelpunkt für den weiteren Handlungsspielraum zu bekommen. Dieser reicht von "der Betroffene darf nach der Erstbetreuung heimgehen" bis zur "psychologischen Intervention".

"Der Mythos, dass wer vom Pferd gefallen ist, sofort wieder aufsteigen muss oder er wird nie wieder reiten, ist als Verallgemeinerung falsch", betonte Binder-Krieglstein. Gleich wieder ins Büro arbeiten zu gehen, ist nur dann sinnvoll, wenn es mit den eigenen Bewältigungsstrategien zusammenpasst.

Wie die Menschen mit einer extremen Belastung umgehen, lässt sich grob einteilen: Das erste Drittel kommt alleine zurecht, das zweite lässt sich von einem Fachmann helfen, aber es bleibt bei einer anfänglichen Unterstützung, und das letzte Drittel benötigt eine längere psychologische Intervention. "Man weiß aber vorher nie, in welches Drittel man hineinfällt", so Binder-Krieglstein. Auch wenn man drei Banküberfälle gut übersteht, könne beim vierten Mal alles anders sein.

Deshalb sei die Notfallpsychologie so wichtig - und die entsprechenden Follow Ups. "Die kritische Phase ist in den ersten Tagen und dann wieder nach vier Wochen", sagte der Experte.