Es ist noch dunkel, als wir Kovalam erreichen. Der Portier begrüßt uns mit einer Blumenkette und frischer Kokosmilch. Der Flieger aus Europa ist in aller Herrgottsfrüh in Trivandrum gelandet - das Ayurveda-Resort liegt eine halbe Stunde von der Hauptstadt entfernt. Ein bewusst einfach gehaltenes Appartement aus Ziegelstein und einem Dach aus Palmblättern ist für die kommenden zwei Wochen unsere Bleibe. Wer Sehnsucht nach einem Fernseher oder einem Computer hat, ist in der Lobby richtig. Uns wiegt das Meer in den Schlaf...

Nach dieser kleinen Ruhepause haben wir unseren ersten Termin beim Arzt. Doch er ist kein Schulmediziner, er versteht sich vielmehr auf Ayurveda. Das Wort stammt aus dem Sanskrit und bedeutet so viel wie "Wissen vom Leben". Seit Jahrtausenden soll es in Indien schon angewendet werden, um sanft zu heilen, aber auch um gesund zu leben.

Um herauszufinden, welcher Typ ich bin, misst der Arzt meinen Puls, untersucht die Zunge und sieht sich die Augäpfel an. Es gibt drei Grundprinzipien: Vatha, Pitha und Kapha. Jeder Mensch trägt eines, meistens zwei, selten alle drei in sich. Eine Krankheit wird als Ungleichgewicht zwischen diesen verstanden. Gemeinsam legen wir die Therapie fest: eine Kombination aus Rücken- und Entspannungskur. Bei Sprachproblemen stehen den Gästen in den meisten Resorts Dolmetscher zur Seite.

Warmes Kräuteröl

Die Anwendungen sollen heilen und stärken. Meine Therapeutin heißt Soji. Sie wird mich jeden Tag behandeln. Bei bestimmten Behandlungen wird sie von einer zweiten Therapeutin unterstützt. In indischen Ayurveda-Kliniken wird die Geschlechterordnung streng eingehalten: Frauen behandeln Frauen, Männer Männer. "Sirodhara" ist meine Lieblingsanwendung: Mehr als eine halbe Stunde rinnt warmes Kräuteröl über die Stirn. Vor jeder Behandlung wird ein Mantra gesprochen, in dem um shanti, Frieden, gebeten wird. Kerzenlicht sorgt zusätzlich für Entspannung. Nach der Behandlung mache ich es mir im Zimmer gemütlich: Zwei Stunden Ruhe soll die Wirkung verstärken.

Beim Abendessen kann man sich - ebenso wie in der Früh und zu Mittag - an einem reichhaltigen Buffet bedienen. Da Ayurveda ebenso Heilung von innen bedeutet, wird auch nach den drei Grundprinzipien gekocht: Ich wähle Vatha und Pitha, ich bin ein Mischtyp. Da während der Kur kein Fleisch gegessen werden soll, stürze ich mich auf Curry und Reis - auch nach zwei Wochen graust mir nicht davor. Für alle, die zu Hause auch ayurvedisch kochen wollen, gibt es (kostenlose) Kochkurse im Resort. Indische Gewürze zum Mitnehmen gibt's an jeder Ecke.

Ein ständiger Begleiter ist auch das warme Kräuterwasser: Mindestens zwei Liter soll ich täglich davon trinken. Abends spüle ich meine Ayurveda-Medizin damit hinunter: Sie wird aus Kräutern hergestellt, die hier im Südwesten Indiens wachsen. Viele Inder stehen deshalb europäischen Ayurveda-Kliniken auch skeptisch gegenüber: Nur wo Indien draufsteht, ist ihrer Meinung nach Ayurveda auch drinnen. Viele der Rezepturen sind übrigens schon Hunderte Jahre alt.

Neben den Behandlungen zählt die tägliche Yoga-Stunde zu meinen Favoriten: Der Singsang von Deepu - er ist mein Lehrer und hat sein Diplom an der bekannten Yoga-Schule Sivananda gemacht - lässt meine Bewegungen im Laufe der zwei Wochen rund und geschmeidig werden. Ich habe den Anfängerkurs gewählt. Da unsere Gruppe über Tage hinweg die gleiche bleibt, zeigt uns Deepu jeden Tag ein paar neue Übungen. Wer schon als kleiner Yogi nach Indien kommt, kann gleich in die Kurse für Fortgeschrittene einsteigen. Der Sonnengruß, eine der bekanntesten Positionen, ist am Ende jedenfalls keine Plackerei mehr für mich, sondern ein wahrer Genuss.

Egal ob Anfänger oder Fortgeschrittener: Wer seinen Geist noch stärker fordern will, kann dies bei der Meditation tun: Bewusstes Anspannen und Entspannen oder Atemübungen lassen erahnen, was unser Geist alles kann: Om, shanti, shanti, shanti - innerer Friede.