Pro Jahr erkranken in Österreich rund 5.000 Frauen an einem Mammakarzinom. Doch die moderne Medizin "zerteilt" den Oberbegriff "Brustkrebs" in immer mehr Untereinheiten, um besser und möglichst wenig belastend behandeln zu können. "Die 'Verpackung' ist die Gleiche, der 'Inhalt' ist unterschiedlich", sagte am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Wien der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Senologie (Brustgesundheit), der Wiener Radiodiagnostiker Thomas Helbich (MedUni Wien/AKH).

Die Gesellschaft veranstaltet in den kommenden Tagen in Wien ihren Jahreskongress. Den Mammakarzinom-Spezialisten steht im kommenden Jahr eine Mammutaufgabe bevor: Die Realisierung des generellen österreichischen Brustkrebs-Screeningprogramms.

Kein anonymisiertes Screening

"Es beginnt im April 2013. Jetzt ist es endlich soweit. Es darf aber kein anonymisiertes Screening sein. Es wird für jede Frau einen Vertrauensarzt geben. Nur so können wir das Ziel erreichen, dass mindestens 70 Prozent aller Frauen zwischen 45 und 70 Jahren teilnehmen und so die Brustkrebsmortalität senken", sagte Helbich.

Das bedeutet eine enorme Anstrengung für alle Beteiligten: Radiologen (Mammografie, eventuell auch Ultraschall-Untersuchung), Gynäkologen, Chirurgen und Onkologen. Für das Programm werden beispielsweise 600 österreichische Radiologen jeweils vier Tage ein spezielles Fortbildungstraining absolvieren. Derzeit erkrankt jede achte Frau in den westlichen Industriestaaten mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 80 Jahren im Laufe ihres Lebens an einem Mammakarzinom.

Die moderne Medizin macht die Diagnosen bei der Tumorerkrankung immer feiner, lässt auf der Basis von molekularbiologischen Merkmalen ganz gezielte Therapien für bestimmte Typen zu und hilft auch, unnötige Nebenwirkungen zu vermeiden. Hier spielt das Arzt-Patientinnen-Verhältnis eine immer entscheidendere Rolle. Der Wiener Chirurg Florian Fitzal (MedUni Wien/AKH): "Wir sind da 'Case Manager' und müssen Kommunikationsexperten sein." Bei bereits vorhandenen gleichwertigen Therapien soll mit der Betroffenen die individuell optimale ausgesucht werden. Auch das Vorgehen von Plastischen Chirurgen nach Mammakarzinom-Eingriffen ist wesentlich durch die Entscheidung der Patientin auf der Basis guter Information durch den behandelnden Arzt beeinflusst.

Nicht immer klappt es mit der Kommunikation. Eine neue US-Studie, bei der 500 Patientinnen nach Therapie und Arztkontakt befragt wurden, hat laut Fitzal folgendes Hauptresultat gebracht: Hundert Betroffene hatten Probleme mit der Behandlung, 73 Prozent davon waren auf Informations- und Kommunikationsmängel zurückzuführen.

Keine Zwei-Klassen-Medizin in diesem Bereich

Insgesamt wird die Situation der Betreuung von Brustkrebspatientinnen in Österreich von den Experten aber als sehr gut bewertet. Helbich: "Bei Brustkrebs gibt es in Österreich keine Zwei-Klassen-Medizin." Im internationalen Vergleich hätten die Österreicherinnen wohl optimale Bedingungen bei Diagnose, Therapie und Nachsorge.

Das soll mit dem Brustkrebs-Screeningprogramm noch besser werden. Andrea Bocan, die vor eineinhalb Jahren wegen eines angeblich gutartigen Knotens in einer Brust ins Spital ging und sofort radikal operiert werden musste: "Das war keine schöne Erfahrung. Meinen Krebs hätte man erkannt, wenn man mich vorher gescreent hätte."

Auch der von Kritikern immer wieder betonte Belastung durch Gewebeentnahmen etc. - Andrea Bocan musste auch das wegen eines Verdachtes bei der anderen Brust absolvieren - widersprach sie vehement: "Die Belastung durch eine Biopsie ist lächerlich. Bitte keine Angst vor einer Biopsie (bei verdächtigem radiologischen Befund, Anm.) haben." Durch spezielle Magnetresonanz-Untersuchungen (bildbasierte Biomarker) wollen die Experten in Zukunft zunehmend nichtinvasiv gutartige von bösartigen Veränderungen in der Brust unterscheiden und so die Biopsien zurückdrängen.