Es muss ja nicht gleich um Olympia-Medaillen gehen. Doch die österreichische Nullnummer in London hat die Diskussion um die mangelnden Turnstunden in den Schulen wieder neu entfacht. Um bis zu fünf Prozent wurde der Turnunterricht seit 2003 gekürzt - mit dramatischen Folgen für die kindliche Entwicklung. "Wenn man sich zu wenig bewegt, leiden auch die geistigen Fähigkeiten", zeigt Peter Schober, Vizepräsident der österreichischen Gesellschaft für Sportmedizin, nur eine der Konsequenzen von zu wenig Bewegung auf.

Schlechter im Lesen

So hat eine amerikanische Studie gezeigt, dass Kinder, die motorische Schwächen haben, auch schlechter im Lesen und Rechnen sind. Andere Konsequenzen sind augenscheinlicher: Schon jedes fünfte Kind in Österreich ist zu dick, die Folge daraus wiederum ist, dass schon Kinder an Bluthochdruck und Diabetes leiden. "Es braucht eine tägliche Turnstunde", ist daher die Forderung des Sportmediziners Schober. Die Realität sieht aber anders aus. In der Volksschule sind es in den ersten beiden Jahren drei Turnstunden, danach nur noch zwei Stunden pro Woche.

Das ist auch für Christa Horn, Fachinspektorin des Landesschulrates für Sport, "ein Skandal". Es gebe ohnehin schon viel zu wenig Turnunterricht, aber es werde noch weiter gestrichen. Erst heuer wurden in den neuen Mittelschulen zwei Turnstunden gekürzt. Mit der Initiative "Bewegungsland Steiermark" versucht man aber seit heuer mit den Sportverbänden Askö, Asvö und Sportunion Schüler zu bewegen: Sportvereine stellen sich in den Volksschulen vor und hoffen so, zum Mitmachen anzuregen.

Ein weiteres Problem spricht Stefan Herker, Präsident der Sportunion Steiermark, an: "In Kindergärten und Schulen gibt es keine ausgebildeten Turnlehrer", so sei es schwer, Kindern die Freude an der Bewegung zu vermitteln. Dabei müsse man im Kindergarten beginnen: "Spätestens bis zum achten Lebensjahr muss die grundlegende Motorik erlernt werden, danach ist der Zug abgefahren", so Herker. In den Berufsschulen, wo laut einer Untersuchung 34 Prozent der Burschen und 45 Prozent der Mädchen übergewichtig sind, wird gleich überhaupt kein Turnunterricht angeboten.

"Bis zum zehnten Lebensjahr muss man die Freude an der Bewegung abspeichern", sagt Sportmediziner Schober. Sonst habe man auch im späteren Leben keine Lust mehr auf Bewegung. Für Schober reicht das Problem über die Schulen hinaus: In Städten werden die Räume, in denen Kinder sich bewegen können, immer kleiner. Und auch Eltern könne man nicht aus der Pflicht nehmen, denn bei ihnen liege die Vorbildwirkung.

Doch ist mangelnde Bewegung anscheinend auch ein soziales Problem: In Familien, die finanziell besser gestellt sind, so Schober, spielt auch Bewegung eine größere Rolle. Das klassische Beispiel ist der Schulskikurs, der immer öfter den finanziell begrenzten Mitteln zum Opfer fällt.

Eine Stunde pro Tag

Die Empfehlung ist ganz klar: eine Stunde Bewegung pro Tag - das heißt, sich eine Stunde so bewegen, dass man zwischendurch außer Atem kommt. In Österreich erreichen dieses Mindestmaß nur 30 Prozent der elfjährigen Mädchen, bei den Fünfzehnjährigen sind es nur noch neun Prozent.

Die Bewegung verliere einfach im Wettkampf mit Fernseher und Spielkonsole - für Schober ist daher die tägliche Turnstunde ein absolutes Muss. "Denn in der Schulzeit haben wir noch die Möglichkeit, Kinder zur Bewegung zu bringen", richtet er seinen Appell an die Politik.

Unterrichtsministerin Claudia Schmied weist nicht nur jede Verantwortung für die Londoner Nullnummer zurück - auch von der täglichen Turnstunde hält sie nichts.