Wie die potenziell gefährliche "Vogelgrippe" zu einer Pandemie werden könnte: In der US-Wissenschaftszeitschrift "Science" wurden am Donnerstag umstrittene Studien publiziert, in denen die Forscher ein H5N1-Virus mutieren ließen, das schließlich in der Lage war, eine Übertragung von Säugetier zu Säugetier auszulösen. Das US-Gremium für Biosicherheit (NSABB) hatte im Dezember vergangenen Jahres ein Unterbleiben der Publikation gefordert. Es kam zu einem Moratorium, bis sich schließlich auch ein Beratergremium der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für die Veröffentlichung aussprach.

Wie saisonale Influenza

Fazit der hauptsächlichen Studie von Sander Herfst, Ron Fouchier (Erasmus Medical Center/Rotterdam): Ausgehend vom für Vögel ("Vogelpest") hoch pathogenen H5N1-Influenza-Viren, welche nur bei sehr hoher Dosierung - enger Kontakt zwischen Mensch und zum Beispiel Hühnern - Infektionen beim Menschen verursachen, können H5N1-Viren mit nur wenigen Mutationen im Erbgut zu Varianten führen, welche bei Frettchen leicht via Aerosole übertragen werden können - ganz so wie die saisonale Influenza beim Menschen.

Sander Herfst und die übrigen an den von den nationalen US-Gesundheitsinstituten finanzierten Untersuchungen beteiligten Forscher änderten zunächst drei Aminosäuren im Erbgut der Viren, um damit die Affinität zu Säugetieren zu erhöhen. Sie infizierten damit immer wieder Frettchen, die als gutes Modell für die humane Influenza gelten und beobachteten die Veränderungen der Viren. Dann isolierten sie jene H5N1-Virusvarianten, welche offenbar von Tier zu Tier übertragen werden konnten und analysierten sie.

Die Autoren in der "Science"-Publikation: "Das genetisch veränderte H5N1-Virus erwarb durch die wiederholte Infektionen von Frettchen Mutationen, welches es durch die Luft übertragbar machte. Die Veränderung von vier Aminosäuren in dem Hämagglutinin-Protein, mit dem das Virus an Zellen des Empfängers andockt und eine Mutation im Polymerase-Komplex des Polymerase 2-Enzyms waren immer in jenen Viren vorhanden, welche auf dem Luftweg übertragen werden konnten." Polymerase-Enzyme kontrollieren die Vermehrungsgeschwindigkeit bei Viren.

Haupterkenntnis

Die Haupterkenntnis der Wissenschafter: "Das Vogelvirus H5N1 kann offenbar auch ohne Rekombination (seiner Erbsubstanz, Anm.) in einem Zwischenwirt (bei Influenza z.B. oft Schweine, Anm.) die Fähigkeit zur Übertragung zwischen Säugetieren erwerben und ein Risiko für eine Influenza-Pandemie darstellen.

Die saisonale Influenza verursacht jedes Jahr weltweit mehrere hundert Millionen Erkrankungen. Es gibt 250.000 bis 500.000 Todesfälle. 90 Millionen Influenza-Erkrankungen betreffen Kinder, etwa 111.500 sterben jedes Jahr an Komplikationen. Während die Transmissionsrate bei der saisonalen Influenza normalerweise exorbitant hoch, die Mortalität aber gering ist, wurde für die in den vergangenen Jahren vor allem in Fernen Osten aufgetretene H5N1-Vogelgrippe eine Mortalität von an die 50 Prozent berechnet. Daran zweifeln Experten aber. Am gefährlichsten wäre wohl ein neues Pandemie-Influenza-Virus, das die Gefährlichkeit von H5N1 mit leichter Übertragbarkeit verbindet. Die Spanische Grippe dürfte zum Ende des Ersten Weltkrieges um die 50 Millionen Tote gefordert haben.