Dunkle Musik für düstere Tage

(Von Bernd Melichar)

1.) Radiohead: Exit Music

Als Radiohead noch echte Instrumente spielten und statt elektronischem Gezwitscher viel Pathos lieferten, schrieben sie diesen hochgradig elegischen Song, der zwar den Untertitel "For A Film" trägt, aber nie für einen gedacht war. Würde es ihn geben, den Film, müsste er in einem nebelverhangenem Niemandsland spielen. Hauptdarsteller: Harvey Keitel.

2.) Billie Holiday: Strange Fruit

Eines der schönsten und traurigsten Lieder aller Zeiten, durchlitten von der großen, zerbrochenen Diva des Jazz. Die Strange Fruits, die seltsamen Früchte, das waren die Leichen der Schwarzen, die man in den Südstaaten ermordet und auf Bäume gehängt hat – Holidays Vater war eines der Lynchopfer.

3.) Franz Schubert: "Der Tod und das Mädchen"

Kurzerhand reihen wir den Franzl hiermit unter Populärmusik – der Großmeister der Melancholie hätte wohl nichts dagegen gehabt. Gespielt vom Melos Quartett, entfaltet das Werk eine körperlich spürbare Sogwirkung, die in die Tiefen des eigenen Ichs zieht. Ein Zitat von Erich Fried passt da gut dazu: "Wenn ich in mich gehe, bin ich oft außer mir."

4.) Townes Van Zandt: "If I Needed You"

Die Zerbrochenen haben offenbar die schönsten Songs geschrieben. Der Texas-Troubadour mit der Sehnsuchtsstimme heult dieses Liebeslied für die Ewigkeit wie ein waidwunder Koyote in den Wüstenhimmel. Motto: Lass alle Hoffnung fahren. Vor allem jene auf die Gnade deiner Mitmenschen.

5.) Bob Dylan: "Not Dark Yet"

Weil wir schon bei den singenden Koyoten sind: Großmeister Bob ist das unumstrittene Leittier. Auf diesem Song aus dem Jahrhundertalbum "Time Out Of Mind" hat er sich aber auch wunderbare Weise mit dem Unausweichlichen versöhnt. "Noch ist es nicht finster, aber wir nähern uns der Dunkelheit." Kein Groll, keine Wut, vielleicht kommen die Zeilen gerade deshalb zu wuchtig daher.

Musik zur Abwehr düsterer Stimmungen

(Von Susanne Rakowitz)

1.) Hunter and the Bear: "Forest On The Hill"

"Find our way in the Darkness" singen die Herrschaften der britischen Kombo "Hunter and the Bear". Und ja, zieht eure Winterstiefel an, packt von mir aus auch noch den Onkel Walter ein, aber bitte, bitte, lasst uns über die Nebelgrenze marschieren. Den passenden Soundtrack gibt es hier - und für die sympathischen Briten gilt: Kopf hoch, der Durchbruch kommt schon noch. Zumindest jener durch die Nebeldecke.

2.) Clueso: "Freidrehen"

"Von einem Tag auf den nächsten sind die Nächte plötzlich warm" - tja, man wird ja wohl noch träumen dürfen. Clueso, Faserschmeichler, Stimmungsmacher und Weltenretter liefert den idealen Soundtrack dazu. Und überhaupt, diese Begeisterung für den Herbst, gibt es tatsächlich Menschen, die freiwillig um fünf Uhr am Nachmittag mit der Stirnlampe den Hund um das Haus begleiten wollen?

3.) Dan Croll: "From Nowhere"

Klar, Ray Manzarek, Kult-Organist der "Doors" würde sich ob des lustigen Bontempi-Intros vermutlich vor Lachen auf dem Boden wälzen. Doch mein Hausphilosoph sagt: Wer das Einfache nicht ehrt, ist den Spaß nicht wert. Dan Croll liefert mit "From Nowhere" ein flottes Popstück ab, nichts für die Ewigkeit, aber diese Dinge sind wie Zuckerwatte: ein kurzes, aber süßes Vergnügen.

4.) Minor Swing (Soundtrack Chocolat)

Wenn wir schon bei den pickigen Sachen sind: Der Film "Chocolat", eine Hommage an die Süßigkeit und - ja, sind wir ehrlich - auch Johnny Depp hat schon mal schlechter ausgesehen. Aber letztlich greift das alles zu kurz, denn dieser Film kann mit einem Soundtrack aufwarten, der jedem Nebel das Fürchten lehrt und sogar Dracula unter dem Cape die Hüfte schwingt.

5.) Dotan: "Home"

Finster, dunkel, düster und vielleicht dann auch noch Regen. Wenn gar nichts mehr geht, dann hilft meist nur noch eine Hymne. Und was für eine! Nie hat ein Norweger-Pullover mehr Hoffnung ausgestrahlt! Lieber Bernd, diese Nummer ist für dich - ein musikalisches Zaubersalz, fortan sollst du nur mehr bunte Pullover tragen und jeden Montagmorgen ein hübsches Liedchen für uns trällern (Abrakadabra).