Das Leben ist also keine Generalprobe. Sondern aus Ihrer Sicht was?
HEINI STAUDINGER: Es gibt im Leben nichts Wichtigeres als das Leben.

Ihr Gesicht erscheint nun also groß auf der Kinoleinwand. Haben Sie je mit Film oder Kino zu tun gehabt?
STAUDINGER: Sehr wohl. Ich bin in Schwanenstadt aufgewachsen und habe dort 1976 einen Filmklub gegründet. Der Kinopächter hat mir den Saal an Montagen weiterverpachtet. Schwanenstadt hatte zu dieser Zeit 400 Einwohner, doch bei vielen Vorstellungen waren alle 500 Plätze voll.

Was war der erste Film, den Sie dort gezeigt haben?
STAUDINGER: „Die zwölf Geschworenen“, dann kam „Der Fall Jägerstätter“ mit anschließender hitziger Diskussion, an der auch der FPÖ-Politiker und Reserveoffizier Norbert Gugerbauer teilnahm. Der tat sich natürlich mit einem Wehrdienstverweigerer schwer und verteidigte die Wehrpflicht. Wir hingegen, die Jungen mit dem Geist der 68er und der Hippies, waren heiße Anhänger des Pazifismus. Auch unsere Neutralität war an diesem Abend ein leidenschaftliches Thema. Ist es heute, denke ich, nicht mehr.

Erinnern Sie sich auch noch an die ersten Filme, die Sie als Kind gesehen haben?
STAUDINGER: An einen auf jeden Fall. Damals war Oswalt Kolle durch einen „Aufklärungsfilm“ mit dem Titel „Das Wunder der Liebe“ eine Art Tagesgespräch. Jugendverbot natürlich. Ich war 14, sagte zu Hause „Ich geh ins Bett“ und schlich mich dann leise in Richtung Kino ...

Wie kam es letztendlich zum Thema Waldviertel?
STAUDINGER: Ich hatte in Wien zwei Schuhgeschäfte, die Ware importierten wir aus Dänemark. Aber da gab es immer Lieferprobleme. Durch Zufall traf ich eines Tages Karl Immervoll, den Religionslehrer aus der Schuhmacher-Berufsschule in Schrems. Ich jammerte wegen der Probleme mit den Dänen. Da erzählte er mir von der Waldviertler Katastrophe. So viele Schuhmacher hätten zugesperrt, es wäre vielleicht gut, in dieser Krisenregion eine Werkstätte zu gründen.

Und das war dann der berühmte Funke?
STAUDINGER: Unter dem damaligen Sozialminister Alfred Dallinger bestand Hoffnung, zur Gründung von selbstverwalteten Betrieben Förderungen zu erhalten. Durch seinen Tod bei einem Flugzeugabsturz war jedoch der zuständige Schutzpatron plötzlich nicht mehr da.

Daraufhin gerieten Sie ins Kreuzfeuer der liebenswerten österreichischen Bürokratie. Die Banken wollten Ihnen benötigte Kredite nicht gewähren, also sammelten Sie bei Kunden und Freunden drei Millionen ein. Eine Art Crowdfunding, das Ihnen eine Klage der Finanzmarktaufsicht einbrachte. Was waren die für Sie schlimmsten Erlebnisse in dieser Zeit?
STAUDINGER: Im Februar 2012 kam es zu einem ersten Verhör bei der Finanzmarktaufsicht. In entsetzlicher Atmosphäre. Zwei gestrenge Damen im Business-Kostüm ließen keine Fragen zu, es war wie in den schlimmsten Filmklischees.

Ihre Reaktion?
STAUDINGER: Ich erzählte im Bekanntenkreis und bei öffentlichen Veranstaltungen davon und merkte immer mehr: Hoppla, das Volk steht voll hinter mir! Deshalb sehe ich mich nicht als Held. Wenn man so viel Unterstützung hat, sage ich, ist es relativ leicht, mutig zu sein.

Es kam dann auch noch zu einer zweiten Verhandlung?
STAUDINGER: Auch arg. Ich wurde gefragt, wo mein Anwalt sei. Ich regte mich maßlos auf. Ich würde nicht daran denken, einem Anwalt eine Menge Geld zu bezahlen, ich würde ja nichts Unrechtes tun und zu all meinen Aktionen stehen. Irgendwie wies ich dann auf einen Begleiter, auf Florian Klenk vom „Falter“. Ohne zu wissen, dass der wirklich Jurist ist ... Und mit einer anderen Begleiterin, meiner Lebensgefährtin Sylvia Kislinger, hatte ich eine Art Code ausgemacht. Sie sollte mich, falls ich heiß gehen würde, auf ein Zeichen „einbremsen“. Am Ende versicherte ich, ich würde keine Ruhe geben, bis sich mein Modell durchgesetzt hätte. Ich würde auch nicht zögern, ins Gefängnis zu gehen.

Viele Einzelheiten gingen danach durch die Medien, endgültig „gewonnen“ hatten Sie, als am 1. September 2014 ein neues, alternatives Finanzierungsgesetz in Kraft trat, das Privatfinanzierungen bis zu fünf Millionen Euro erlaubt.
STAUDINGER: Mit relativ vernünftigen Auflagen. Heute hätten wir eine Warteliste von bis zu 300 Millionen Euro, und wir können uns leisten, zu sagen: Nein, danke, brauchen wir nicht.

Woher haben Sie eigentlich Ihren „Geschäftssinn“?
STAUDINGER: Meine University of Economics war die Greißlerei meiner Eltern, wo ich die drei wichtigsten Tugenden des Unternehmers lernte. Erstens: grüßen. Zweitens: dienen und bedienen. Drittens: kopfrechnen.

Wie waren die Filmarbeiten?
STAUDINGER: Zwei Jahre lang hat mich Nicole Scherg einmal pro Woche mit dem Kamerateam besucht. Wir hatten wahnsinnig viel Arbeit. Das war ihr egal, und es hat dem Film gutgetan, weil er authentisch zeigt, wie es bei uns läuft und welche Haltung uns leitet. In Wirklichkeit ist nämlich der „Spirit“ die maßgebliche Kraft, die den Kurs bestimmt und zeigt, wohin die Reise geht.



Gilt für Sie der Grundsatz: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott?
STAUDINGER: Für mich gilt der Grundsatz meiner Eltern. So lange du ein Auskommen hast, haben die gesagt, gibt es nichts zu jammern. Seneca hat es noch schöner ausgedrückt: Nie ist zu wenig, was genügt. Bei jeder Null in unserer Bilanz habe ich mich daher gefreut, denn mit Nullen kommt zum Ausdruck, dass wir alles, was notwendig war, hatten.

Die „Waldviertler“ haben vieles bewirkt, Ihr dortiger Betrieb wurde zum Musterbetrieb. Worauf waren Sie in letzter Zeit besonders stolz?
STAUDINGER: Die Vorpremiere des Films in Schrems fand in Anwesenheit des Justizministers Wolfgang Brandstetter statt. Das war echt stark: der Justizminister persönlich zu Besuch beim populärsten Gesetzesbrecher Österreichs.