Goerden hat einen großen Bogen um die in die Literaturgeschichte eingegangenen Klassiker wie "Das Schloß", "Der Prozeß" oder "Die Verwandlung" gemacht und sich lieber an den vielen nachgelassenen Schriften Franz Kafkas, aber auch an den Briefbänden bedient. Es sind kleine, absurd anmutende Geschichten oder insistierende, manisch vorgetragene Versuche, persönliche Nähe über postalischen Austausch herzustellen. Leben und Schreiben vermengen sich, ohne dass ein Roter Faden erkennbar wäre.

Man meidet eine klare biografische Linie und tritt Kafka dennoch nahe. Es blühen Rosen und Neurosen, Verzweiflung und Dichtung vermengen sich. "Ich habe kein literarisches Interesse, sondern bestehe aus Literatur, ich bin nichts anderes und kann nichts anderes sein", schreibt Franz Kafka an Felice Bauer und beteuert: "Ich kann nicht mit Menschen leben." Nicht gerade das, was man eine gelungene Brautwerbung nennt.

Auf Rahmenbedingungen und Umstände wird keine Rücksicht genommen. Das Eingangs-Zitat stammt etwa aus einem "Einleitungsvortrag über Jargon", mit dem Kafka 1912 vor einem jiddischen Rezitationsabend den Versuch unternommen hat, die nicht jiddisch sprechenden Anwesenden auf das Kommende vorzubereiten, und sie gleichzeitig entmutigte: "Wenn Sie nun einmal nicht imstande sind, Jargon zu verstehen, kann Ihnen keine Augenblickserklärung helfen. Sie werden im besten Fall die Erklärung verstehen und merken, daß etwas Schwieriges kommen wird. Das wird alles sein."

Für sein Vorhaben, "einen verletzlichen, selbstzweifelnden, aber auch ironischen und manchmal sehr komischen Kafka" abseits der bekannten Werke zu präsentieren, hat Elmar Goerden keine rechte Form gefunden. Die weiß-schwarz geschichtete Bühne von Ulf Stengl und Silvia Merlo ist ein Abstraktionsraum, in dem sich kleine Dramolette ereignen, die aus dem Nichts entstehen und ebenso wieder vergehen. Es wird mit Kerzen, Bilderrahmen oder Polstern hantiert - die szenischen Setzungen wirken beliebig.

Vier Schauspieler (Alexander Absenger, Peter Kremer, Andre Pohl, Toni Slama) rezitieren und interagieren. Es könnten wohl ebenso einer oder ein Dutzend sein. Warum nach rund der Hälfte des Abends mit Maria Köstlinger eine Frau dazustößt, bleibt unergründlich - zumal sie nicht den weiblichen Widerpart bzw. das Sehnsuchtsobjekt darzustellen scheint, sondern sich als weitere Chorstimme einfügt.

In einem der gelungeneren Momente des Abends, der das Prosafragment "Der große Schwimmer" auf die Bühne bringt, verkündet Peter Kremer als Schwimm-Olympiasieger und Weltrekordler verschmitzt, dass er gar nicht schwimmen könne. Manchen geht es umgekehrt: Sie trainieren lange, glauben sich bestens gerüstet und gehen trotzdem unter. Das Theater ist so unberechenbar wie das Leben.

Die nächsten Vorstellungen gibt es an folgenden Terminen: 26.4., 4., 5., 6., 21.5., Karten unter 01 / 42700-300 bzw. www.josefstadt.org.