In diesem Sommer will Roman Polanski in Warschau ein Drama über die Dreyfus-Affäre drehen, über den jüdischen Offizier der französischen Armee, der Ende des 19. Jahrhunderts fälschlich des Verrats beschuldigt wurde. Doch zuvor muss der 81-jährige Regisseur sein eigenes Justizdrama überstehen. Am Mittwoch verhandelt das Bezirksgericht Krakau über einen Antrag der USA auf Auslieferung Polanskis.

Vertrauen in Justiz

Es ist ein weiteres Mal nach der Festnahme auf dem Flughafen Zürich im Jahr 2009, dass Regie-Altmeister Polanski fürchten muss, an die USA ausgeliefert zu werden, wo er seit Jahren mit internationalem Haftbefehl gesucht wird. Ihm wird Vergewaltigung vorgeworfen - es geht um Sex mit der damals 13-jährigen Samantha Gailey im Jahr 1977.

"Ich vertraue auf die polnische Justiz", sagte Polanski, als die Staatsanwaltschaft das Auslieferungsgesuch der US-Justizbehörde im Jänner dem Gericht zusandte. Der Regisseur mit französischer und polnischer Staatsbürgerschaft will am Mittwoch zur Verhandlung kommen. Seine Anwälte haben bereits beantragt, die Öffentlichkeit auszuschließen. Wie lange das Verfahren dauert, ist noch unklar.

Gefeierte Heimkehr

Für Polanski, der seit mehreren Jahren eine Wohnung in Krakau hat, geht es nicht nur um das bei einer Auslieferung scheiternde Filmprojekt, die Angst vor einem Schuldspruch in den USA oder eine eventuelle Flucht nach Frankreich, das ihn nicht ausliefern würde. Es geht auch um die mit zunehmendem Alter wieder intensiver gewordene Beziehung zu Polen, zu Krakau, der Stadt seiner Kindheit, die ihm versperrt bliebe, wenn er in Polen um seine Freiheit fürchten müsste.

In Polen hatte Polanski erste Erfolge, hier verehren ihn auch heute viele Kinogänger. Als er 2001 für die Arbeit am "Pianisten" nach Polen zurückkehrte, war das eine Heimkehr, die in Polen enthusiastisch gefeiert wurde.

Der Film war auch die Aufarbeitung des eigenen Kindheitstraumas: Polanski, Kind polnischer Juden, überlebte in einem Versteck das Krakauer Ghetto und den Holocaust. Aber seine Mutter wurde von den Nazis in Auschwitz ermordet. In den vergangenen Jahren hat Polanski öfter Projekte unterstützt, die an die jüdische Geschichte und Kultur vor allem in Krakau erinnern.

Geteilte Meinungen

In Polen sind die Meinungen zu Polanski geteilt. Auf einigen national-katholischen Webseiten wurde er in Berichten als Pädophiler gebrandmarkt. Der nationalkonservative Politiker und ehemalige Justizminister Zbigniew Ziobro meinte, Polanski genieße dank seiner Berühmtheit und "einflussreicher Freunde" mehr Schutz vor Strafverfolgung als andere Beschuldigte.

Tomasz Lis, Chefredakteur von "Newsweek Polska", schrieb dagegen in einem Kommentar: "Wenn Roman Polanski Nazi wäre, hätte er in Amerika höhere Chancen, verschont zu bleiben, als jemand, der für eine Jahrzehnte zurückliegende Vergewaltigung angeklagt wird." Die US-Justiz habe NS-Kriegsverbrecher jahrzehntelang unbehelligt gelassen und die Auslieferung von KZ-Schergen verschleppt oder verhindert, verfolge aber Polanski unerbittlich.

Polens Generalstaatsanwaltschaft zeigte sich in einem 2010 erstellten Expertengutachten skeptisch, ob die Grundlagen für eine Auslieferung überhaupt erfüllt seien: Im Fall einer Vergewaltigung sei das Verbrechen nach polnischem Recht bereits verjährt.