Der österreichische Regisseur Michael Haneke hat am Donnerstag für eine große Überraschung bei der Bekanntgabe der Nominierungen für die 85. Oscars gesorgt: Insgesamt in fünf Kategorien ist sein Drama "Amour" nominiert - in den Kategorien Bester Film, Beste Regie, Bestes Drehbuch, Beste Hauptdarstellerin (Emmanuelle Riva) und Bester ausländischer Film. Eine Nominierung schaffte überdies Christoph Waltz als Bester Nebendarsteller für seine Rolle in Quentin Tarantinos "Django Unchained".

Die beiden Topfavoriten für die Gala am 24. Februar sind aus nicht-österreichischer Perspektive allerdings Steven Spielbergs Historiendrama "Lincoln" mit zwölf Nominierungen und Ang Lees Bestseller-Verfilmung "Life of Pi" mit elf Nennungen. Neben "Lincoln", das die letzten Wochen im Leben des gleichnamigen US-Präsidenten nachzeichnet, und "Life of Pi" können auch das Musical "Les Miserables" und die Liebeskomödie "Silver Linings" mit je acht Nominierungen auf einige goldene Statuetten hoffen.

Im Porträt

Den Überraschungsmoment hatte bei der Bekanntgabe der Nominierungen durch die Academy of Motion Picture Arts and Sciences allerdings Hanekes französischsprachiger Film "Amour" (Liebe) auf seiner Seite. Das Antreten in der Kategorie für den Auslandsoscar, zu dem Österreich die Koproduktion entsandt hatte, war allgemein erwartet worden. Dass das Aushängeschild Haneke aber auch in der Kategorie Bester Film mit allen genannten US-Produktionen konkurriert und sich als Bester Regisseur mit Spielberg und Lee auseinandersetzen muss, während er sich beim Besten Drehbuch unter anderen mit Wes Anderson und Quentin Tarantino misst, kam dann doch unerwartet.

Für das Magazin "Empire Online" stellt Hanekes Nominierung in der Regiekategorie die größte Überraschung dar, finde sich der "Arthouse-Gigant" doch neben etablierten Hollywoodgrößen: "Das ist die interessantestes Auswahl seit Jahren." Auch die "New York Post" und die "Huffington Post" bezeichnen die Nominierungen für Haneke und Benh Zeitlin ("Beasts of the Southern Wild") in der Regiesparte als überraschend.

Dass der gebürtige Wiener Christoph Waltz für seine zweite Zusammenarbeit mit Tarantino als Ex-Zahnarzt King Schultz in der Westerngroteske "Django Unchained" seine zweite Oscar-Nominierung nach seinem Part in "Inglourious Basterds" 2010 erhielt, war hingegen weniger unvorhersehbar. Er matcht sich dabei unter anderen mit Altstars wie Robert De Niro und Tommy Lee Jones. Hanekes Hauptdarstellerin Emmanuelle Riva steht in der Kategorie Beste Darstellerin an der Seite von Jessica Chastain, Jennifer Lawrence, Quvenzhane Wallis und Naomi Watts.

Sowohl für Haneke als auch für Waltz wird es auch vor dem 24. Februar noch spannend, wenn am Sonntag (Ortszeit) die Golden Globes verliehen werden - auch hier sind beide nominiert. Haneke hat Madrid, wo am 23. Februar - just am Tag vor der Oscar-Verleihung - seine Operninszenierung von Mozarts "Cosi fan tutte" Premiere feiern wird, bereits in Richtung L.A. verlassen. "In Madrid sind sie schon ganz unglücklich - wirklich viel Probenzeit gibt es ja nicht", zeigte sich Haneke-Produzent Veit Heiduschka gegenüber der APA erfreut über die Nachricht des Nominierungsregens: "Wir haben da schon was aufgebaut in Österreich. Die Saat ist aufgegangen."

Dieser Meinung sind auch die österreichischen Politiker, die durchwegs euphorisch reagierten: Für Bundeskanzler Werner Faymann (S) zeigen die Nominierungen "einmal mehr die überragende Bedeutung von Michael Haneke in der internationalen Filmkunst", Kulturministerin Claudia Schmied (S) sprach von einer "echten Sensation", ÖVP-Kultursprecherin Silvia Fuhrmann freut sich über die "Fortsetzung der Erfolgsgeschichte" - nur Grünen-Kultursprecher Wolfgang Zinggl zeigte sich angesichts des "unter die Haut gehenden Films" eigentlich nicht überrascht.