Das Kinojahr 2012 setzt zum Schluss noch ein Glanzlicht. Beginnen wir aber mit der Ouvertüre. Sie ist ein reiner Augenschmaus. In einer farbenprächtigen und wie choreografiert wirkenden Parade kommen Tiere ins Bild: Giraffen. Ziegen, Flamingos, Zebras, Vögel et cetera. In dieser Eingangssequenz zeigt Oscar-Preisträger Ang Lee ("Brokeback Mountain"), dass der Einsatz der 3D-Technologie durchaus sinnvoll sein kann.

Schon mit "Sinn und Sinnlichkeit" hat Ang Lee beweisen, dass ihm Literaturverfilmungen liegen: Er findet Bilder, die auch ohne Kenntnis der literarischen Vorlage für sich bestehen. Und auch mit "The Life of Pi - Schiffbruch mit Tiger" hat er wieder einen handwerklich und auch künstlerisch großartigen Film abgeliefert, der nur an ganz wenigen Stellen etwas suboptimal ist.

Vor gut einem Jahrzehnt feierte der kanadische Schriftsteller Yann Martel mit seiner Überlebensgeschichte eines Schiffbrüchigen einen literarischen Sensationserfolg, der ihm etliche internationale Literaturpreise, unzählige Übersetzungen und nun eine gelungene Verfilmung einbrachten.

Nach der Eingangssequenz mit den vielen Tieren erfahren wir von einer Erzählerstimme, dass die Geschichte in Pondicherry in Indien spielt. Der Sohn eines Zoodirektors wird nach einem Pariser Nobelbad Piscine Molitor getauft und später in der Schule deswegen gehänselt. Der heranwachsende Pi (Suraj Sharma), wie er sich nennt, ist gerade dabei, sich zum ersten Mal zu verlieben, als ihm der Familienrat eröffnet, dass der Zoo in Indien aufgegeben wird und die Familie mit den meisten Tieren nach Kanada auswandert, um dort eine neue Existenz zu gründen.

Bei der Überfahrt mit einem japanischen Frachter kommt es zur Katastrophe. Das Schiff geht unter, Pi landet mit einem Zebra, einer Hyäne und dem bengalischen Tiger Richard Parker (der menschliche Name kam durch eine Verwechslung zustande) auf einem Beiboot. Der Überlebenskampf geht nach 227 Tagen nur für Pi und den Tiger gut aus.

Die bedrohliche Beziehung zwischen den zwei Überlebenden - dem jungen Menschen und dem vierbeinigen Richard Parker - sorgt mit packenden technischen und optischen Effekten für Spannung und Sentiment.