Die letzten Minuten vor einem Auftritt. Schauspieler in Kostüm und Maske sitzen herum, ein kurzer Blick in das Textbuch. Der mit Samt bemalte Bühnenvorhang geht auf. Es beginnt wie so oft im Theater mit dem Wissen um Illusion und dem großen Bemühen um Wahrhaftigkeit.

Vor fast 135 Jahren Wettbewerb veröffentlichte Leo Tolstoi seinen Meisterroman "Anna Karenina", in dem er ein gigantisches Gesellschaftspanorama des ausklingenden 19. Jahrhunderts im zaristischen Russland entwarf.

Die rund hundertjährige Filmgeschichte wurde fast jedes Jahrzehnt mit einer Neuverfilmung des Tolstoi-Meisterwerks geschrieben. Ein Platz ist für Joe Wrights ("Stolz und Vorurteil", "Abbitte") Adaptierung gesichert. Aus mehreren Gründen. Einmal wegen Tom Stoppards Drehbuch, der die Hauptstränge der Geschichte als großes Theater erzählt, wegen Seamus McGarveys Kamera, die den Bühnenrahmen sprengt und von der Modelleisenbahnlokomotive in die Großaufnahme einer Dampflok oder eines Zugabteils aufzieht. Und nicht zuletzt wegen Wrigths illusionsreicher Inszenierung, die eine Theatertür aufstößt und in die freie Landschaft tritt. Dazu ein erstklassiges Ensemble mit einer leidenschaftlichen Keira Knightley als Anna, einem Jude Law als kühlen Staatsdiener Karenin, Aaron Taylor-Johnson, Emily Watson, Matthew McFadyen, Kelly Mcdonald. Großes Prunkkino.