Ein zusammenbrechendes System, eine noch nicht existierende neue Ordnung und junge Leute, die nichts zu verlieren haben: Unbeschwerter und nostalgiegefütterter könnte ein Blick zurück auf die beginnenden 1990er Jahre in Ostberlin kaum sein als jener der Bestseller-Verfilmung "Russendisko". Wladimir Kaminer erzählte in seiner skurrilen Alltagsmomente-Sammlung von den Begebenheiten, die ihm und seinen Freunden als aufgeweckten russischen Auswanderern direkt nach dem Mauerfall in der noch existierenden DDR zustießen. Der deutsche Regisseur Oliver Ziegenbalg hat die Geschichten in einen vergnüglichen Freundschafts- und Liebesfilm mit Matthias Schweighöfer und ordentlichem Feel-Good-Gespür verfilmt. Ab Freitag (20.4.) im Kino.

Wladimir, Mischa (Friedrich Mücke) und Andrej (Christian Friedel) sind förmlich unzertrennlich, wohnen im Ausländerwohnheim Marzahn und verkaufen billiges Bier am Bahnhof, um sich über Wasser zu halten. Der Handel floriert, weswegen nun auch begonnen werden kann, Mischas Musikkarriere voranzutreiben. Dass er als einziger nur eine begrenzte Aufenthaltsgenehmigung erhalten hat, stört in den ersten Monaten kaum. Ganz im Gegenteil: Wladimir trifft zufällig auf die russische Tänzerin Olga (Peri Baumeister), die er im Off-Theater beobachtet und an die er sein Herz verliert. Alles könnte so einfach sein, würde Mischas Visum nicht auslaufen - und würden die Pläne zur Verlängerung der Genehmigung nicht auch Olgas Freundinnen betreffen.

Ziegenbalg gelingt bei seinem Debüt, eine fast unheimliche Sehnsucht nach dieser Zeit und dem dazugehörigen Ort zu vermitteln: Berlin als Stadt der tausend Möglichkeiten, wo das Leben leistbar und die Ideen zahlreich waren. Selbst Wladimir Kaminer gestand im APA-Gespräch, dass er nach dem Film "ein bisschen Sehnsucht nach den alten Zeiten in Berlin" verspürte, "als noch die Möbel auf den Dächern standen und auf den Straßen". Der Film ist ein modernes Großstadtmärchen, mit skurrilen Details (etwa der russische Radiodoktor, der bei Liebeskummer Wodka mit Honig und Pfeffer empfiehlt), historischen Anekdoten, bekannten osteuropäischen Melodien, einer schön romantisch erzählten Liebesgeschichte und viel billigem Bier. Na dann, Prost.