Wutentbrannt zerriss der Komponist 1804 die Widmung seiner „Eroica“ an den jungen Napoleon nach dessen Wandlung vom schwärmerischen Revolutionär zum Despoten, der sich zudem eigenmächtig zum Kaiser krönte. Jérémie Rhorer kann das gut verstehen: „Beethoven war ja ein hochpolitischer Kopf, der die Ideale von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit verraten sah, nicht zuletzt, als Bonaparte 1805 auch noch in Wien einzog.“


Rhorer ist einer von drei Einspringern, die den noch von Nikolaus Harnoncourt geplanten Beethoven-Zyklus bei der styriarte ermöglichen; er dirigiert eben die „Eroica“ (3. Symphonie) und die „Pastorale“ (6. Symphonie). An dem Giganten der Klassik schätzt der 43-jährige Franzose „seine unverwechselbare Gabe, mit seiner Musik Hoffnung, Verzweiflung oder Begeisterung auszudrücken, gerade auch durch seine rhythmische Sprache“.


Rhorer bringt als Leiter des Orginalklangensembles „Le Cercle de l’Harmonie“, das er 2005 mit seinem Konzertmeister Julien Chauvin gründete und dessen Mitglieder sich als Erben der Alte-Musik-Pioniere wie Harnoncourt oder Gustav Leonhardt verstehen, schon viel Wissen um Darmseiten & Co. ans Pult mit. Also wird er am Freitag und Samstag mit dem Concentus Musicus Wien wohl rasch auf Du und Du sein.


Rhorer ist ein von Aix über New York bis Glyndebourne bewunderter Mozart-Spezialist, was er mit der jüngst erschienenen „Entführung aus dem Serail“ erneut beweist, live und farbenreich eingespielt im Vorjahr im Théâtre des Champs-Élysées. Vor allem aber ist der Pariser, der schon mit den Wiener Philharmonikern und bei den Salzburger Festspielen arbeitete oder 2014 Romeo Castelluccis aufsehenerregende Inszenierung von Glucks „Orfeo ed Euridice“ rund um eine echte Wachkomapatientin bei den Wiener Festwochen leitete, ein offener Geist: Der Dirigent, Cembalist und Musiktheoretiker hat sich auch als Komponist einen Namen gemacht. Und in den wenigen Schaffenspausen nimmt er halt, damit ihm nicht langweilig wird, statt Partituren Lateinbücher zur Hand.

CD-TIPP. Mozart: „Die Entführung aus dem Serail“. Le Cercle de l’Harmonie und Solisten, Jérémie Rhorer. 2015 live im Théâtre des Champs Elysées. Alpha.
CD-TIPP. Mozart: „Die Entführung aus dem Serail“. Le Cercle de l’Harmonie und Solisten, Jérémie Rhorer. 2015 live im Théâtre des Champs Elysées. Alpha. © KK