Ein festliches Entree führt im Wiener Leopold Museum in den Ausstellungsraum. "Es ist eine späte Ehrung, denen auch einen roten Teppich zu geben", streut Tex Rubinowitz seinen Sujets Rosen. Der Cartoonist hat die Schau "The Nul-Pointers" geschaffen, die jenen 34 Unglücklichen huldigt, die beim Song Contest (ESC) nicht einen einzigen Punkt ergatterten: "Das ist keine Verarschung, das ist eine Hommage."

Schließlich seien die Betroffenen ja keine schlechten Menschen gewesen und nicht dafür verantwortlich, am Ende des Feldes gelandet zu sein. "Es ist nicht deren Schuld - da spielen viele Komponenten herein. Das ist Schicksal, das kann man göttlich nennen", sinniert Rubinowitz im Gespräch mit der Austria Presseagentur. Entsprechend semireligiöse Elemente finden sich auch in der Gestaltung der charmant-trashigen Ausstellung, sind die 34 ESC-Pleitiers doch im schnellen Strich auf 34 Holztafeln verewigt. "Es gibt in der katholischen Kirche den Brauch der Votivtafeln", verweist Rubinowitz auf sein Vorbild. "Man kann den Song Contest auch als Kirche bezeichnen - für viele Leute ist das heilig. Ich würde aber nicht so weit gehen und sagen, dass ich Jünger der Song-Contest-Kirche wäre", unterstreicht der ESC-Agnostiker Rubinowitz.

Sein Interesse ist ein anderes: "Mich interessiert das Scheitern und Verlieren. Sieger sind langweilig. Da geht es nicht mehr höher. Ich bin nicht so ein Sieger-Typ - ich wüsste keinen Sieger, der mich interessieren würde." Zugleich benötigten diejenigen auf Platz 1 auch die anderen: "Der Sieger ist ohne den Verlierer nichts." Insofern gebe er mit seiner Zusammenstellung den Betroffenen auch ein wenig Respekt zurück. Schließlich könne man im Leben nicht immer siegen. "Das soll man nicht persönlich nehmen - wir gehen zum Bachmannpreis oder zum Song Contest und können verlieren oder gewinnen", so der Bachmannpreisträger 2014: "Das Scheitern ist in unserem Leben immanent."

Allerdings sei der Umgang in den verschiedenen Ländern damit höchst unterschiedlich, wenn man etwa auf den norwegischen ESC-Vertreter Jahn Teigen blicke, der 1975 mit null Punkten nach Hause fahren musste. "Der ist, als er nach Norwegen zurückkam, getröstet und gefeiert worden. Der Unterschied zu Österreich ist sehr interessant. Thomas Forstner ist 1991 mit null Punkten zurückgekommen und wurde getreten, verachtet und verspottet. Das ist so österreichisch, auch wenn ich nicht pauschalisieren möchte. Aber in Norwegen hatten sie keine Lust, jemandem, der schon am Boden liegt, nachzutreten. In Österreich ist das eine Lust."

Thomas Forstner holte 1991 keinen Punkt
Thomas Forstner holte 1991 keinen Punkt © Leopold Museum

Für den gebürtigen Deutschen hat der Song Contest auch eine politische Komponente: "Das ist die Simulation von einem idealen Europa, das es in Wirklichkeit gar nicht gibt." Um Lieder gehe es in seinen Augen beim ESC schon lange nicht mehr: "Das ist ein riesen Happening." Er werde den Wiener Song Contest deshalb privat feiern und nicht in der Stadthalle: "So kann man wetten, und es gibt Alkohol."

Gewinnen werde das Happening heuer die aus vier lernbehinderten Musikern bestehende finnische Punkband Pertti Kurikan Nimipäivät mit dem Song "Aina mun pitää", ist Rubinowitz überzeugt. Zur Unterstützung hat er von den Finnen sein erstes Bild mit einer Nähmaschine gestickt, das die Besucher seiner Ausstellung am Eingang begrüßt.

Bei der Schau alleine belässt es Rubinowitz allerdings nicht. Am 18. Mai wird er mit seiner Band Mäuse im Museumsquartier eine einstündige Free-Jazz-Version von Forstners "Venedig im Regen" spielen. "Es ist für Bands meiner Liga immer am schönsten, von der Bühne geprügelt werden", zeigt sich der Teilzeitsänger gewappnet für etwaigen Widerspruch. Und dann ist Rubinowitz auch noch im internationalen Künstlerteam vertreten, das 40 der berühmten MQ-Hofmöbel verziert, wobei jedem ESC-Teilnehmerland ein Sitzmöbel gewidmet wird. Ihm wurde via Los Israel zugeteilt. "Ich mache da eher was Yoko-Ono-Haftes", umreißt der Künstler sein Konzept. Die besitzbaren Kunstwerke werden am 15. Mai präsentiert und am 27. Mai für einen guten Zweck versteigert.