Über mathematischen Tabellen brüten, sich an Texten großer Autoren versuchen oder ganz simpel Verben deklinieren: Was nach aktuellem Schulstoff klingen mag, haben schon Wissbegierige im alten Ägypten durchmachen dürfen. Im Papyrusmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek gibt die Schau "Hieroglyphen und Alphabete" anhand von 70 Exponaten einen Einblick in den Unterricht vor tausenden Jahren.

Nun war es aber keineswegs so, dass sich Bildung viele leisten konnten, handelte es sich beim Erlernen der Schriftkultur doch um ein kostspieliges und letztlich der höheren Schicht vorbehaltenes Unterfangen. Aber dennoch spiegeln sich in den verschiedenen Texten auch "soziale Phänomene" wider, erläuterte ÖNB-Generaldirektorin Johanna Rachinger am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. So verlangten die Lehrer mitunter von ihren Schülern, Vergleiche zwischen mythologischen Heldenfiguren und ihren Herrschern herzustellen oder galt es bei philosophischen Aufgabenstellungen die Entstehung der Erde zu behandeln.

"Unter den Schriftstücken des Altertums bestechen die zahlreichen Schulübungen durch ihre Aussagekraft", urteilte folglich auch Bernhard Palme, Direktor des Papyrusmuseums. "Die Praxis im antiken Unterricht reichte von ersten Schreibversuchen bis zu elaborierten Texten." Die ausgewählten Exponate - insgesamt verfügt die Sammlung des Papyrusmuseum über rund 180.000 Objekte - umfassen die Zeitspanne von der zweiten Hälfte des zweiten Jahrtausends vor Christus bis ins arabische Frühmittelalter um 700. Was dabei auffällt: Über beinahe die ganze Zeit war Ägypten ein Land der Mehrsprachigkeit, standen Griechisch, Ägyptisch oder Arabisch oft nebeneinander im gesprochenen wie geschriebenen Alltag.

Dass der Unterricht reguliert wurde, habe Palme zufolge auch machtpolitische Hintergründe gehabt: "Einerseits war die Hieroglyphenschrift sehr schwierig, andererseits wurde der Zugang vielleicht mit Absicht reguliert. So entstand ein Machtmonopol. Die Verbreitung der Schriftlichkeit ging letztlich mit einer Demokratisierung einher." Dabei dürfe man nicht vergessen, dass selbst heute Analphabetismus auf der Welt keineswegs verschwunden ist, so Palme. Und für die herrschende Schicht war der Unterricht natürlich eine Übung für künftige Aufgaben, galt es doch auch das Verfassen und Präsentieren von Reden zu üben.

Die verschiedenen Papyri zeugen zusätzlich von einer gewissen Konstanz im Lehrbetrieb: So findet sich beispielsweise die "Erzählung vom Vatermörder" über mehrere Jahrhunderte hinweg immer wieder in den Texten. Neben schnell geschriebenen Notizen oder längeren Abhandlungen wurden auch Zierbuchstaben geübt oder gab es eine stilisierte Buchschrift. Eine zentrale Bedeutung ist dem Auswendiglernen zugefallen. "Jeder gebildete Mensch dürfte damals in der Lage gewesen sein, seitenweise aus Homer zu zitieren", sagte Palme.

Dass die Schüler aber auch vor gut 2.000 Jahren nicht immer mit Feuereifer bei der Sachen gewesen sein dürften, belegt ein anderes Exponat. Unter eine Deklinationsübung zum Verb "brüllen" findet sich der Ausruf "satis" geschrieben - was so viel bedeutet wie "es reicht". Ob den Schüler hier nach den drei noch vorhandenen Formen oder doch einer seitenlangen Übung die Motivation verlassen hat, lässt sich allerdings nicht mehr herausfinden. "Hieroglyphen und Alphabete" ist ab dem morgigen Donnerstag bis zum 8. Jänner 2017 zu sehen.