"Es gibt so Plätze", meint der 60-Jährige eingangs, "wo man denkt, da würde man gerne mal spielen." Die Burg sei immer so ein Platz gewesen, wurde sie doch vor 20 Jahren zu Ehren des gebürtigen Bochumers blau-weiß beleuchtet, als dieser vor 20.000 Fans auf der anderen Seite des Rings am Rathausplatz spielte. Eine "schöne Geste" sei das gewesen, und nun scheint er sich zu revanchieren: Knapp über zweieinhalb Stunden gibt Grönemeyer alles, hechtet unentwegt über die Bühne des Burgtheaters und gleich zweimal durch den Zuschauerraum, und liefert dabei Hits aus seiner mehr als 30 Jahre andauernden Karriere ab.

Es dauert nicht lange, bis seine Fans von ihren Sitzen aufspringen, mitklatschen, -singen und -grölen, tanzen und "Herbert, Herbert!" schreien. Die Grönemeyer-Anhängerschaft ist für ihren Enthusiasmus und ihre Textsicherheit bekannt, und der Musiker weiß das zu schätzen, entfacht immer wieder Sprechchöre und animiert jene Fans, die Tickets ergattern konnten, bis in die letzten Reihen hinauf. Die exzessiven Nebelschwaden, Lichtspiele und Videoprojektionen aus dem Stadion-Repertoire hätte es in diesem Rahmen zwar nicht gebraucht, aber alle Augen sind ohnehin einzig auf den Mann in Schwarz und in weißen Turnschuhen gerichtet, der selbstironisch mit seinen eigenwilligen Tanzkünsten und "hoch intellektuellen" Texten kokettiert.

Der Titel "Dauernd Jetzt" ist stellenweise auch Programm, streut Grönemeyer doch immer wieder Songs seines bereits Ende 2014 erschienenen, 14. Studioalbum ein: "Unter Tage" dient als kraftvoller Opener, und wird auch visuell dank abgedunkelter Bühne und Stirnlampen der acht Bandmitglieder zur Bergleute-Hommage. Später tänzelt er zum romantischen "Fang mich an", gibt das lebensbejahende, titelgebende "Dauernd Jetzt" zum Besten und setzt mit dem zärtlichen "Ich lieb mich durch" einen von vielen vermeintlichen Schlusspunkten des Programms, das wie gewohnt zahlreiche Zugaben miteinschließt.

Wie der Pop-Gigant sein Publikum dabei abwechselnd in Ekstase, Rührung und Betroffenheit versetzt, muss ihm mal einer nachmachen. Da gibt sich die Menge kollektiv Mitsing-Krachern wie "Männer", "Alkohol", "Bochum" oder "Mensch" hin, jubeln Wiener sogar beim neuen deutschen EM-Song "Jeder für Jeden", fallen sich Paare bei emotionalen Balladen wie "Ein Stück vom Himmel", dem als Barmusik neu arrangierten "Flugzeuge im Bauch" oder der ausschließlich bei Österreich-Konzerten obligatorischen Nummer "Ich hab dich lieb" in die Arme, und wird es totenstill, wenn Grönemeyer zu politischer Haltung aufruft.

Nie zuvor sei es ihm so wichtig erschienen, Stellung zu beziehen. "Plötzlich fangen wir an zu wackeln, das ist in Österreich nicht anders als in Deutschland", sagt Grönemeyer, der sich früher gefragt habe, wie so viele Menschen einst Hitler verfallen konnten. "Aber wenn man genau zuhört, merkt man, wie schnell die Stimmung in einem Land kippen kann. Und da sind wir sehr gefordert, dagegen zu halten." Er lässt eine Liebeserklärung an seine Heimat, "Unser Land", folgen, und mahnt später ob des Wegsehens bei Schreckensbildern mit "Roter Mond" "Empathie und Humanismus" ein.

Am Ende dieses energiegeladenen Konzertabends ist der Raum merklich von Glückseligkeit erfüllt - vor wie auch auf der Bühne: Die Begeisterungsstürme im Saal lassen Grönemeyer wiederholt die Arme triumphierend in die Luft strecken und stumme Freudenschreie ausstoßen. "Wir waren schon ziemlich nervös", gesteht er ein - wenn man ihm das auch nicht angesehen hat. Dementsprechend viele Adjektive findet er im Laufe des Abends für das dann doch geglückte Vorhaben: herzlich, liebevoll, herrlich, zauberhaft, hinreißend, reizend, wundervoll, oder einfach nur: schön. "Ich will bis 90, 91 weitersingen", sagt er dann wenig verwunderlich, "das ist kein Versprechen, sondern eine Drohung!" Vielleicht sehen sich Wien und Gröni ja dann wieder - hier, in der Burg, in 30 Jahren. Zuvor aber kommen heute, Donnerstag, die Fans am Salzburger Residenzplatz und am Samstag in Podersdorf am See in den Genuss.

(S E R V I C E - )