Und von Tragödien. Jener etwa, die Uli Hoeneß in Belgrad durchlitt - und wohl nie wirklich verwinden konnte. Es war der 20. Juni 1976. Das Finale der EM. Deutschland gegen die Tschechoslowakei. Nach Verlängerung immer noch 2:2. Elfmeterschießen, Deutschland liegt 3:4 zurück. Hoeneß ist an der Reihe. "Ich legte den Ball auf den Punkt - wie in Trance", schilderte der Mann, der damals als "schnellster lebender Stürmer Europas" galt. "Ich lief an, ich schoss, ohne auf den Torwart zu blicken", liest man in seinem selbstironischem Bericht "Der Elfer von Belgrad".

"Ich schaute dem Ball nach, sah ihn immer höher steigen. Wie eine Weltraumrakete von Cape Kennedy sauste er in Richtung Wolken. Unerreichbar. Da kam kein Torwart mehr ran, niemand konnte ihn halten, so hoch flog der. Nur im Tor war er nicht gelandet, dieser Ball. Es wurde leer um mich." Der nächste Elfer der Gegner saß. Das Aus für Deutschlands Europameistertraum im Jahr 1976.

Bloß schnell weiterblättern. Zu Bertolt Brecht etwa, der "Schalke - Hannover als Kunstereignis des Jahres 1929" inszenierte und den Fußball allen Ernstes für unterhaltsamer als das Theater erklärte. Nur dass der Text gar nicht von Brecht stammte, sondern wunderbar stilecht von Constantin Seibt in der Rolle Brechts für das "NZZ"-Magazin "Folio" nachempfunden worden war. Mit Sätzen, die man sich bei Brecht hätte vorstellen können: "Dass nicht immer der Bessere gewinnt, spricht für den unbarmherzigen Realismus der Fußballkunst."

Wir lesen von "Dantes Tragödie". Jenem Dante Bonfim Costa Santos, der einst Verteidiger beim FC Bayern war und am 8. Juli 2014 in Belo Horizonte mit seiner brasilianischen Nationalelf gegen das deutsche Team antrat. "Wie sehr hat sich der 30-Jährige auf diesen Moment gefreut", hielten die Autoren Tim Jürgens und Philipp Köster fest. "Ausgerechnet im Spiel gegen sechs seiner Münchner Kollegen darf er sein Können unter Beweis stellen."

Und dann? Was für eine rauschende Ballernacht! Müllers Deutschland demontiert Dantes Brasilien mit 7:1. Nie zuvor und bisher nie wieder hat es das bei einer WM gegeben. Ein Glücksgefühl auch noch im Rückblick! Da kann man selbst ohne Bier über eingestreute Regelwerk-Blödeleien wie diese lachen: "Fällt das ganze Spiel kein Tor, steht ein 0:0 bevor."

Dazu passt, was Moritz Rinke unser aller Jogi in den Mund legte. Der schrieb demnach von der Brasilien-WM an seine "liebschte Daniela" daheim: "Heut hab ich so ä Indianer vum Stamm Pataxo am Fluss getroffen. "Du Beckenbauer?" hätt er gfrogt. "Nai, Jogi Löw!", hab ich gsagt un dezu noch: "Und außerdem isch der Beckenbauer vun de FIFA gsperrt!""

Klar, es geht auch anspruchsvoller. Etwa wenn Walter Jens beschreibt, was Leidenschaftsfußball und echte Fantreue sind - am Beispiel des TV Eimsbüttel mit seiner "Fünferreihe aus echten Werktätigen" und dem legendären Eimsbütteler 3:2-Erfolg über Schalke im Volksparkstadion. Oder wenn Bernhard Minetti von seiner Freundschaft mit Deutschlands wohl berühmtestem Trainer aller Zeiten berichtet: "Sepp Herberger war mein wichtigster, mein wesentlichster Freund."

Natürlich durfte in so einer Sammlung Günter Grass nicht fehlen. Allein schon mit seiner Kritik am gegenseitigen Spieler-Abjagen: "Dieses dauernde Einkaufen, damit wird man nicht Erster." Oder etwa doch? Grass' bleibender Beitrag zur Fußballkultur ist da wohl eher sein Mini-Gedicht "Nächtliches Stadion": "Langsam ging der Fußball am Himmel auf. Nun sah man, dass die Tribüne besetzt war. Einsam stand der Dichter im Tor, doch der Schiedsrichter pfiff: Abseits."

(S E R V I C E - Winfried Stephan (Herausgeber): "Nicht schon wieder keine Tore. Geschichten und Gedichte rund um den Fußball", Diogenes, 288 S., 10,30 Euro)