Zwei Wochen vor Start der Fußballeuropameisterschaft ist wieder "Ballverlust" zu beklagen. Das Fußball-Aficionado-Programm von Alfred Dorfer und Florian Scheuba geht in die Verlängerung und ist seit gestern, Montag, wieder im Rabenhof zu sehen. Die EM-bedingten Adaptionen des Abends sind überschaubar. Dafür sprachen die Beiden vor dem Auflaufen mit der APA über ihre persönlichen EURO-Erwartungen.

"Ballverlust" hatte vor zwei Jahren Premiere. Ist die Verlängerung für Sie ein Aufwärmen für die kommende EURO?
ALFRED DORFER: Wir haben das Programm zwei Jahre lang mit Pausen gespielt und dachten, es wäre eine gute Möglichkeit, es vor diesem Großereignis ausklingen zu lassen. Mittlerweile überlegen wir aber, das Programm zu kommenden Großereignissen immer wieder zu aktualisieren - so wie andere Künstler Weihnachtslesungen haben.

Grundfrage für alle Fußballfans derzeit: Fahren Sie nach Frankreich?
Dorfer: Wir hatten es vor. Ich überlege ernsthaft, es zu lassen. Ich war mit Andreas Vitasek in Paris, als in Brüssel der Anschlag verübt wurde. Ich habe gesehen, wie sich die Stadt über Nacht verändert hat. Ich weiß nicht, ob ich diese Stimmung brauche. Florian fährt hin.
Florian Scheuba (öffnet ein dickes Kuvert und wedelt genüsslich mit einem Packen Karten, je vier Tickets für die Österreich-Spiele): Schau'n wir mal, wer mitfährt...

Terrorangst ist ein großes Thema. Wird sie die sportlichen Aspekte überschatten?
Scheuba: Es ist die Frage, ob man das zulässt. Man wird sehen, wie sie in Frankreich damit umgehen, aber für mich als Fußballfreund ist es auch die Frage, ob ich dem IS die Freiheit geben, über mein Leben zu bestimmen. Da bin ich eher dagegen.

Selbst durch die rigorosesten Kontrollen lassen sich Anschläge nicht verhindern. Denn auch außerhalb der Stadien und Fanzonen gibt es ja tausende Menschen, die potenzielle Anschlagziele sind.
Scheuba: Absolute Sicherheit hat man nie. Jede U-Bahn der Welt ist gefährdet, jeder Flughafen, jeder Bahnhof. Und noch viel gefährlicher ist Autofahren. Das ist das Allergefährlichste.

Im Moment herrscht in Österreich eine richtige Fußball-Euphorie. Wie lange wird die anhalten? Typisch österreichisch wäre, dass man die Mannschaft nach Misserfolgen sofort wieder fallen lässt.
Scheuba: Es gibt sicher eine Fangruppe, bei der das nicht so sein wird - zu der zählen wir uns, denn wir haben schon für das österreichische Nationalteam Werbung gemacht, als es noch nicht in war. Es scheidet sich eh bereits die Spreu vom Weizen: Michael Jeannee beginnt schon auf Marko Arnautovic zu schimpfen.

Arnautovic steht für eine Fußballer-Generation, in der Integration geklappt zu haben scheint. Repräsentiert dieses Team das neue Österreich?
Scheuba: Natürlich stellt das ein Zeichen dar, denn es sind Fälle von gelungener Integration in diesem Team. Ich glaube, dass der jüngste Sager der AfD gegen Boateng ein Eigentor war, und auch Herr Mölzer hat damals rasch zurückgerudert, nachdem er in "Zur Zeit" über Herrn Alaba geschimpft hat.
Dorfer: Ich glaube, dass diese Euphorie anhält. Das hat sicher mit der Person des Teamchefs zu tun...

Der zuvor vom Boulevard ja auch schon fast aus dem Land gejagt worden war...
Dorfer: Er ist auch zu den sogenannten Problemspielern wie Janko oder Arnautovic gestanden. Ich glaube, dass dieses bodenlose Gemotschkere einmal vom Tisch ist. Diesmal steht das auf besserem Fundament. Es hatte noch kein Teamchef vor ihm so viele Legionäre zur Verfügung. Man hat erst spät eingesehen, dass die Chance unserer Bundesliga eine Ausbildungsliga ist. Wer halbwegs eine Chance wittert, spielt lieber in der Zweiten Bundesliga in Deutschland als bei uns. Dort gibt es offenbar ein anderes Anforderungsprofil.
Scheuba: Und sie sind eine gut eingespielte Mannschaft. Unter Koller gibt es erstmals zumindest zwei verschiedene Spielsysteme, unter Constantini hat es nicht einmal eines gegeben. Vielleicht erleben wir bei der EM ja sogar noch eine dritte Variante. Ich glaube daher, dass wir, egal, wie diese EM ausgeht, auch in der nächsten WM-Quali durchaus eine Chance haben.

Müsste es nicht ein Ziel sein, die Qualität unserer eigenen Bundesliga wieder zu heben?
Scheuba: Das wäre schön, aber da müsste vorher der Turbokapitalismus gestoppt werden. Das ist der Grund, warum das, was in der Weltwirtschaft passiert, auch im Fußball passiert: Es konzentriert sich alles auf die finanzstarken Ligen. Wenn schon die 14-jährigen Spieler sich danach richten können, wo sie am meisten Geld verdienen können, ist es unmöglich gegenzusteuern. Da sind wir bis zu einem gewissen Grad Globalisierungsverlierer.

Kein Vor-Euro-Interview ohne die Bitte um eine Prognose: Wie wird die EURO ausgehen - für Österreich und insgesamt?
Scheuba: Ich hoffe auf ein Viertelfinale. Ich glaube, dass die Vorrunde zu überstehen ist - und dann ist alles möglich. Es kommt darauf an, gegen wen wir spielen - aber ich würde ihnen das Viertelfinale zutrauen. Das wäre ein toller Erfolg und ist nicht völlige Träumerei. Fürs Turnier? (lacht) Die Vernunft, in Gestalt von Alfred, sagt: Deutschland. Das ist vielleicht zu pragmatisch gedacht. Ich könnte mir aber vorstellen, dass es die Franzosen schaffen. Bei den Belgiern war ich vor ein paar Wochen optimistischer, aber da ist die Verletztenliste lang geworden.
Dorfer: Und Spanien ist völlig unberechenbar. Seit Jahrzehnten hoffen wir ja, dass die Engländer endlich wieder zurückkommen. Ich tippe aber auf Deutschland. Bei Österreich glaube ich auch an ein Viertelfinale. Wir haben uns das durchgerechnet: Es wäre fast am günstigsten, wir würden Zweiter werden in dieser Gruppe, dann wäre der Achtelfinal-Gegner vermutlich Russland oder Wales. Das ist machbar. Im Viertelfinale wäre dann vermutlich Frankreich der Gegner, was natürlich unangenehm wäre.

Es gibt ja angeblich Leute, die davon träumen, dass Österreich Europameister wird.
Scheuba: Es sind auch Griechenland und Dänemark einmal Europameister geworden. Das ist aber heutzutage schwieriger, es gibt mehr Spiele bei der Europameisterschaft. Du brauchst als Underdog auch viel Glück. Aber so weit zu kommen, dass man das gewinnt - das zu glauben, wäre vermessen.
Dorfer: Die Stimme der Vernunft sagt: Wenn wir ins Viertelfinale kämen, wäre das schon ein Riesenerfolg.

INTERVIEW: WOLFGANG HUBER-LANG