Die Goldene Palme der Filmfestspiele von Cannes ging an "I, Daniel Blake" des bald 80-jährigen Briten Ken Loach. Das britische Sozialdrama ist ein starkes, dringliches Kinowerk, das zutiefst berührt und aufwühlt. Zentrale Figur ist der titelgebende, 59-jährige Daniel Blake (verkörpert vom Neo-Schauspieler und Stand-Up-Comedian Dave Johns) der seinen Schreinerberuf nach einem Herzinfarkt nicht mehr ausüben kann und erstmals in seinem Leben auf den Staat angewiesen ist. Wie auch die junge alleinerziehende Mutter Katie (Hayley Squires), der er auf dem Sozialamt begegnet und in weiterer Folge unter die Arme greift, scheitert er am restriktiven, höchst bürokratischen Sozialhilfesystem. 

Sozial engagiert

Loach ist als dezidiert linksgerichteter Filmemacher seit Jahrzehnten mit sozial engagierten Themen in der internationalen Kinolandschaft präsent. In Cannes gewann er bereits 2006 mit dem Kriegsdrama "The Wind That Shakes The Barley" die Goldene Palme. Er nutzte am Abend seinen Moment auf der Bühne für einen politischen Appell: "Die Welt, in der wir leben, ist in einer gefährlichen Situation, weil die Ideen, die wir 'neoliberal' nennen (...) zu einer Katastrophe führen", so Loach. "Eine andere Welt ist möglich und sogar notwendig", zeigte sich der 79-Jährige in seiner auf Französisch gehaltenen Ansprache überzeugt.

Dankesrede unter Tränen

Der Große Preis der Jury ging an "Juste la Fin du Monde" von Xavier Dolan. Dessen neues Werk "It's Only the End of the World" hat außerdem den Preis der Ökumenischen Jury gewonnen. Die Jury lobte vor allem den "transzendierenden" Aspekt von Dolans Bildsprache bei seiner Adaption eines Theaterstücks von Jean-Luc Lagarce. Der als Wunderkind der Branche gehandelte Kanadier betonte bei seiner Dankesrede für den Jury-Preis  unter Tränen: "Alles, was wir im Leben tun, tun wir, um geliebt und akzeptiert zu werden." Er werde sein ganzes Leben lang Filme drehen - ob er wolle oder nicht: "Ich bevorzuge den Wahnsinn der Leidenschaft gegenüber der Weisheit der Gleichgültigkeit." 

Großer Preis der Jury für Xavier Dolan
Großer Preis der Jury für Xavier Dolan © APA/AFP/ALBERTO PIZZOLI

Der iranische Schauspieler Shahab Hosseini (42) wurde für seine Rolle im Film "The Salesman" seines Landsmannes Asghar Farhadi zum besten Darsteller gekürt, Farhadi selbst wurde für das beste Drehbuch ausgezeichnet. In dem Film geht es um den Lehrer Emad und seine Frau Rana. Rana wird eines Tages von einem Mann im Badezimmer attackiert und blutend zurückgelassen - offenbar ein Freier, der eigentlich die Vormieterin der Wohnung meinte. Während Emad nach dem Angreifer sucht, wird die Beziehung des Paares immer brüchiger.

Bester Darsteller: Shahab Hosseini
Bester Darsteller: Shahab Hosseini © APA/AFP/ALBERTO PIZZOLI

Anti-Korruptionsdrama

Als beste Darstellerin wurde die philippinische Schauspielerin Jaclyn Jose (52) für ihre Rolle im Anti-Korruptionsdrama "Ma´Rosa" von Brillante Mendoza ausgezeichnet. Inhalt: Die resolute Ma´Rosa betreibt zusammen mit ihrem Mann einen kleinen Kiosk im Armenviertel von Manila. Um irgendwie über die Runden zu kommen, verkaufen sie unter dem Ladentisch auch Dorgen - bis sie eines Tages verhaftet werden. Die Polizei verlangt aber nicht nur die Namen der Drogenlieferanten, sondern auch eine Geldsumme, um die beiden freizulassen. Nun sind die erwachsenen Kinder gefordert, möglichst schnell Geld aufzutreiben.

Beste Darstellerin: Jaclyn Jose
Beste Darstellerin: Jaclyn Jose © APA/AFP/VALERY HACHE

Der Regiepreis wurde heuer gleich an zwei Filmemacher vergeben: an den französischen Regisseur Olivier Assayas (61) für "Personal Shopper" und den Rumänen Cristian Mungiu (48) für "Bacalaureat". In "Personal Shopper" wartet die Kaufberaterin Maureen (Kristen Stewart) auf ein Zeichen ihres Zwillingsbruders, der verschwunden ist. Während ihres Aufenthalts in Paris trifft sie aber nicht nur unterschiedliche Kleidungsexperten, sondern hat auch Begegnungen der geisterhaften Art. Und Mungiu erzählt in "Bacalaureat" von einem Krankenhausarzt in einer rumänischen Kleinstadt, dessen Tochter kurz vor der Matura steht. Dann geht es Schlag auf Schlag: Die Tochter wird von einem Vergewaltiger überfallen, seine Mutter erleidet einen Schwächeanfall, seine Frau will ihn aus der Wohnung haben, seine Autoscheibe wird demoliert - aber jemand könnte helfen, dass die Tochter auch unter dem Eindruck der Ereignisse ihre Abschlussprüfung besteht. Aber der hat auch eine Forderung: eine Spenderniere.

Olivier Assayas (l.) und Cristian Mungiu
Olivier Assayas (l.) und Cristian Mungiu © APA/AFP/ALBERTO PIZZOLI

Fipresci-Preis

Gänzlich leer aus ging bei der Gala ungeachtet guter Prognosen im Vorfeld hingegen die deutsch-österreichische Koproduktion "Toni Erdmann" mit Peter Simonischek. Aber immerhin gab es für den Film den Fipresci-Preis der Internationalen Kritikervereinigung als bester Film im Wettbewerb.