Der türkische Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk hat die aktuelle Klageflut gegen Kritiker von Präsident Recep Tayyip Erdogan kritisiert. "Ich bin es leid, vor Gericht zu erscheinen, um meine Freunde zu verteidigen - oder wegen eigener Justizangelegenheiten", sagte Pamuk am Dienstag laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Dogan in Istanbul.

Dort nahm er an einem Beleidigungsprozess gegen seinen 73-jährigen Kollegen Murat Belge teil. Er schreibe seit Jahrzehnten, und es sei das erste Mal, dass er mit einer Beleidigungsklage zu tun habe, sagte Belge.

"Beliebter Club"

Er hatte im vergangenen September in einem Beitrag für die Tageszeitung "Taraf" den Gedanken verfolgt, Präsident Erdogan habe seit dem Sommer aus wahltaktischen Gründen den Konflikt in den Kurdengebieten verschärft. Nun sei er Mitglied in einem der "meistbesuchten Clubs der Türkei" geworden, sagte Belge. Dies sei "der Club derjenigen, die Erdogan beleidigen".

Seit Erdogan im August 2014 vom Amt des Ministerpräsidenten in das des Staatschefs wechselte, wurden 2000 Verfahren gegen Journalisten, Künstler und einfache Bürger eingeleitet, weil sie den Präsidenten beleidigt haben sollen. In einer Aufstellung der Organisation Reporter ohne Grenzen zur Pressefreiheit belegt die Türkei den 151. von 180 Plätzen.

Pamuk wurde 2005 der Prozess gemacht, weil er in einem Zeitungsinterview über die Massaker an Armeniern 1915 und die tödliche Gewalt bei türkischen Militäraktionen gegen die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in den 1980er Jahren gesprochen hatte. Ihm drohte wegen Herabwürdigung des Türkentums eine Strafe von drei Jahren Gefängnis. 2006 stellte in Istanbuler Gericht das Verfahren jedoch ein.