Vor 35 Jahren trat Inspektor Jury in ihr Leben. Da war Martha Grimes bereits 50. Der smarte Mann, ohne dessen Spürnase Scotland Yard alt aussehen würde, ist seither ihr treuer Begleiter.

Heute feiert die in Pittsburgh geborene und heute in Santa Fe oder Washington D.C. lebende US-Autorin ihren 85er. Ihr Inspektor und seine exzentrischen Freunde hingegen sind altersresistent - und very british. Wie auch Landsfrau und Kollegin Elizabeth George hat sich Grimes dem klassischen englischen Kriminalroman verschrieben, in schönster Agatha-Christie-Manier und hübsch skurril.

Skurrile Todesarten

Dabei wollte die studierte Anglistin eigentlich Dichterin werden. Zunächst war die Poesie auch ihr Metier. Warum sie sich dann der Spannungsliteratur zuwandte, ist kein Geheimnis. Sie schrieb damals ein langes Gedicht "über eine Frau, die ihr Leben lang von einem Killer verfolgt wird und darauf wartet, dass er sie erschießt", verriet Grimes ihrem Verlag Goldmann. Dieses Gedicht habe sie ins Grübeln gebracht. "Alle meine Werke (...) waren irgendwie blutig und handelten von Menschen, die eine Treppe herunterfallen und anderes in dieser Art."

Ihre Gedichte hätten ihr die Richtung gewiesen. Und als Agatha-Christie-Fan habe es nahegelegen, sich ihrer Tradition zuzuwenden. Inzwischen hat Martha Grimes, die auch eine Emma-Graham-Reihe und andere Krimis verfasste, 23 Inspektor-Jury-Bücher geschrieben, von denen einige vom ZDF verfilmt wurden (u.a. mit Fritz Karl, Katharina Thalbach und Götz Schubert).

Auch im ORF zu sehen: Grimes'
Auch im ORF zu sehen: Grimes' "Inspektor Jury"-Krimis mit Fritz Karl © ORF

Vor wenigen Tagen erschien der Band "Inspektor Jury und die Frau in Rot". Meist muss Jury im fiktiven Örtchen Long Piddleton ermitteln, das sich allerdings im echten Dorset befindet. In der Grafschaft hatte Grimes in den 70er-Jahren eine Zeit lang gelebt, dort ging ihr Sohn zur Schule, dort hat sie Land und Leute lieben gelernt, "die Landschaft, die Atmosphäre, die Pubs, die nebligen, diesigen Tage".

All das ist in ihren Romanen wiederzufinden, was der eine oder andere Kritiker mitunter ein wenig klischeehaft findet, museal oder gar als Rosamunde-Pilcher-Flair abtut. Grimes selbst ist um Wahrhaftigkeit und Authentizität bemüht, wenn auch ihre Anstrengungen nicht immer erfolgreich waren.

"Wir machen keine Führungen"

So wurde einst ihr Versuch, direkt bei Scotland Yard zu recherchieren, von einem Mitarbeiter kurz abgebügelt: "Freundlich herablassend wandte er sich an diese amerikanische Autorin, die ausgerechnet britische Krimis verfasste. Er schlug vor, dass ich besser über Polizeieinheiten schreiben sollte, die ich kannte, also amerikanische (...). "Wir sind nicht das FBI, wir machen keine Führungen"." Mehr Entgegenkommen zeigte später ein Kollege, der ihr doch noch einiges über die Arbeit beim Yard erzählte. Und anderes habe sie sich eben angelesen.

Ein wenig Autobiografisches verarbeitet Grimes, die früher auch als Professorin für Literatur und kreatives Schreiben gearbeitet hat und sich neben ihrer Schriftstellerei sehr engagiert um den Tierschutz kümmert, in ihren Emma-Bänden. Diese spielen in einem alten Sommerhotel - eines jener Art, wie es einst auch ihrer Mutter gehörte. Die Protagonisten sind vielfach realen Personen nachempfunden. Nur die 12-jährige Emma selbst, die ist fiktiv.

35 Bücher

Sie wäre gern wie sie, sagt Martha Grimes über ihre zweite Serienheldin: "so einfallsreich und clever". An Einfallsreichtum fehlt es der mehrfach preisgekrönten Autorin aber nun wirklich nicht, denn insgesamt hat sie bisher 35 Bücher geschrieben, von denen allein im deutschsprachigen Raum 3,3 Millionen verkauft wurden. Viele davon sind Evergreens geworden.

Fortsetzungen sind nicht nur erwünscht, sondern wahrscheinlich. "Sie ist noch sehr rüstig und schreibt weiterhin täglich", bestätigte Susanne Grünbeck vom Goldmann Verlag. Sie kündigte auch gleich Grimes' nächste Novität für September an: Dann erscheint die Branchensatire "Ein Mord macht noch keinen Sommer", eine in der Verlagswelt spielende Krimikomödie, ähnlich angelegt wie ihr "Mordserfolg" vor gut zehn Jahren, der tatsächlich ein Mordserfolg wurde.