Anhänger des russischen Präsidenten Wladimir Putin haben am Donnerstag die Preisverleihung eines Geschichtswettbewerbs in Moskau überfallen. Nach Angaben von Augenzeugen attackierten sie die prominente russische Schriftstellerin Ludmila Ulitskaja und andere Teilnehmer der Veranstaltung, die von der Menschenrechtsgruppe Memorial organisiert wurde.

Rund 20 Aktivisten, überwiegend Anhänger der Nationalen Befreiungsbewegung, bewarfen die 73-jährige Kreml-Kritikerin Ulitskaja mit Eiern und einem grünen Antiseptikum. Andere Teilnehmer wurden mit obszönen und antisemitischen Beleidigungen beschimpft. Auch die rund 40 Schüler, die aus verschiedenen Landesteilen angereist waren, wurden mit Eiern beworfen.

Der seit 1999 stattfindende Wettbewerb ruft Jugendliche dazu auf, Aufsätze darüber zu schreiben, wie ihre Familie die stalinistische Herrschaft oder den Zweiten Weltkrieg erlebt hat. Bei der Zeremonie im Zentrum Moskaus wurden am Donnerstag die Gewinner gekürt.

Die Aktivisten, zu denen neben Jugendlichen auch ältere Erwachsene gehörten, hätten die Veranstaltung stören wollen, weil sie ihrer Ansicht nach Geschichte neu schreiben und junge Menschen indoktrinieren wolle, sagte Jan Ratschinski von Memorial. "Sie hielten Schilder hoch mit der Aufschrift: 'Wir brauchen keine alternative Geschichte'", sagte Ratschinski.

"Sie waren sehr organisiert, sehr aggressiv und schienen genau zu wissen, wer an dieser Veranstaltung teilnimmt", sagte Julius von Freytag-Loringhoven von der FPD-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung. Eine deutsche Delegation sei als "Faschisten" beschimpft worden. Die Polizei habe daneben gestanden, zugeschaut und nichts unternommen. "Wir können froh sein, dass es nur ein Antiseptikum war und nicht Schwefelsäure", schrieb Ulitskaja in einem E-Mail.

Die Nationale Befreiungsbewegung wies Angriffe auf die Autorin zurück. "Unsere Anhänger haben sich zurückgehalten. Sie trugen Plakate gegen die ausländische Finanzierung der Bildung und Geschichtsfälschung", sagte deren Sprecher Roman Sikow. Mit der grünen Flüssigkeit hätten sie nichts zu tun gehabt.

Der bekannte russische Oppositionelle Alexej Nawalni wurde nach eigenen Angaben ebenfalls am Donnerstag angegriffen. Direkt vor seinem Büro habe ihn jemand mit einer blauen Chemikalie attackiert. "Zum Glück habe ich sie nicht ins Auge bekommen", erklärte Nawalni auf seiner Website. "Das ist nicht witzig. Es wird damit enden, dass einem Säure ins Gesicht geschüttet wird, mit der Unterstützung der Polizei und der Geheimdienste", erklärte er.

Anna Smolchenko/AFP