Kommt bei marokkanischen Nomaden ein Mädchen während eines Regens auf die Welt, so wird es freudig Oum El Ghaïth genannt – „Mutter des Labsals“. Denn in der Wüste ist Wasser Glück, Erleichterung, Segen. Oum El Ghaïth Benessahraoui oder kurz Oum ist ein besonderer Segen. Denn die Sängerin mit dem poetischen Zauber auf den Lippen bringt als die Stimme Marokkos nicht nur unter die Haut gehende Lieder auf die Bühne, sondern auch die Kraft einer selbstbestimmten muslimischen Frau.


Geboren in Casablanca, entdeckte Oum für sich zunächst Aretha Franklin oder Whitney Houston, dann im Chor die Liebe zum Gospel, später im Studium auch die Architektur. Heute tourt sie querweltein, um das kulturell farbenreiche Dreieck Afrika/Arabien/Mittelmeer aufzuspannen. Ihr Mix aus Jazz und Soul, Afrobeat, Sufi-Musik und Trillergesängen der Tuaregs, aus maghrebinischen Dialekten und Englisch ist so selbstverständlich wie umwerfend.

Rhythmisches Feuer, Stimmgewalt, melodische Kraft sowie die vielfältigen musikalischen Wurzeln, entstammen ganz klar orientalischen Zusammenhängen, schlagen jedoch einen weit greifenden Brückenbogen in Richtung Okzident.

Songs, die die 38-Jährige auf ihren letzten Alben teils in einem Berberzelt in der Sahara aufgenommen hat, lässt Oum heute (29. April) mit ihrem Quartett warm auf die Zuhörer des gamsbART-Festivals „Graz World Music“ 2016 regnen. Erfrischend!

Vor dem Auftritt der Marokkanerin entführen Massoud Shaari (Sitar), Sina Shaari (Oud, Gitarre) und Darshan Anand (Tabla) in den Osten. Ihr Projekt  "Beyond the words" repräsentiert ein virtuoses musikalisches Zwiegespräch iranischer und indischer Musiker mit vielfältigen Hintergründen. Um ihre Geschichten zu erzählen bedienen sie sich ausdrucksstarker Elemente, die sich zu einem gemeinsamen Dialog vereinen. Dadurch gewinnt das Trio eine einzigartige Klangfarbe, die die Frucht der interkulturellen Zusammenarbeit charakterisiert.

MICHAEL TSCHIDA