Nach dem überraschenden Abgang von Peter Pakesch sind Sie seit Mitte Oktober alleiniger Geschäftsführer des Universalmuseums Joanneum. Simpelste aller Fragen: Wie geht's?

WOLFGANG MUCHITSCH: Es geht gut!

Müssen Sie ja jetzt sagen!


MUCHITSCH: (lacht) Nun, ich denke, wir haben es geschaft, mit einem sehr guten Team im Hintergrund den kurzfristigen Ausfall von Peter Pakesch optimal zu kompensieren. Er selbst kuratiert ja noch zwei Ausstellungen hier bei uns, zum Beispiel eine Personale des New Yorkers Terry Winters mit dem Titel "Das Kabinett des Malers"", die ab 11. März im Space02 des Kunsthauses gezeigt wird.


Was hat sich für Sie persönlich geändert?


MUCHITSCH: Dass sich ein paar Aufgaben verschoben haben. Ich arbeite jetzt weniger operativ und mehr strategisch. Ich habe ja bis vergangenen Herbst neben Pakesch vor allem den wissenschaftlichen und kaufmännischen Bereich abgedeckt. Dennoch: Auch inhaltlich gab es jetzt für mich nicht so einen großen Sprung, weil ich ja immer schon für die Sammlungen zuständig war und auch in programmatische Entwicklungen stets involviert war. Ausstellungskonzepte wurden teamorientiert entworfen, wobei Pakesch hauptsächlich für das Kunsthaus zuständig war.


Und jetzt . . . ?


MUCHITSCH: . . . ist es meine Philosophie, den einzelnen Häusern mehr Autonomie in der Programmierung zuzugestehen, die Schwerpunkte der Sammlungen zu betonen und die einzelnen Kuratoren tatsächliche jene Ideen verwirklichen zu lassen, für die sie brennen, denn nur daraus entwickeln sich gute Ergebnisse. Unser Haus lebt ja primär vom Engagement und der Leidenschaft der Mitarbeiter. Und es ist eine große Herausforderung, dieses Animo aufrechtzuerhalten.


Was hat Sie bisher eigentlich am meisten gefordert?


MUCHITSCH: Dass wir schwierige Rahmenbedingungen haben und auch in nächster Zeit haben werden. Das fordert Kreativität von allen und ist durchaus auch spannend, aber natürlich schon auch emotional belastend. Man muss manche Dinge gründlicher überlegen als in besseren Zeiten.


Schärft aber auch die Sinne, oder?


MUCHITSCH: Ja, sicher. Und es zwingt einen dazu, sich zu bekennen, Prioritäten zu setzen. Aber immer im Team. Und ich als Leiter versuche dabei, den Mitarbeitern unter erschwerten Bedingungen die bestmöglichen Voraussetzungen zu schaffen.


Was hat Sie am meisten überrascht?


MUCHITSCH: Eigentlich nichts wirklich. Peter Pakesch und ich haben ja unsere Arbeit in guter Partnerschaft gelebt und sind nicht nur Tür an Tür gesessen.


Und was hat Sie am meisten gefreut?


MUCHITSCH: ...(grübelt)

Jetzt haben Sie aber ein bisschen zu lange nachgedacht. Gibt's denn keine Freude?


MUCHITSCH: Wohl, natürlich. Aber härtere Rahmenbedingungen bedeuten, dass die Freude nicht immer überwiegt. Ich kann noch nichts im Detail verraten, aber im April gibt es wieder eine sehr, sehr große Schenkung – das sind Momente, die positiv stimmen. Aufbauend war zudem, dass ich in der Umstellungszeit von meinen Mitarbeitern viel Zuspruch erhalten habe – schön zu merken, dass man nicht allein ist, wenn es hart auf hart geht.


Wir haben da auch anderes gehört. "Wenn die Katze außer Haus ist, haben die Mäuse Kirchtag", heißt es. Haben nach Pakeschs Abschied einzelne Abteilungen oder Abteilungsleiter tatsächlich sofort versucht, sich in Position zu bringen, Druck zu machen, ihr eigenes Spielchen zu spielen?


MUCHITSCH: Dass es „Machtkämpfe“ gäbe, sehe ich nicht so. Die Abteilungsleiter spüren, dass sie mehr Verantwortung tragen müssen, damit aber auch mehr Möglichkeiten und Freiheiten haben. Peter Pakeschs Herzblut galt bekanntlich sehr stark der Kunst. Vielleicht erhoffen sich jetzt andere Abteilungen, die nicht in der Kunst verankert sind, mehr Zuwendung, Aufmerksamkeit, Chancen. Es ist ohnehin meine Absicht, in meiner noch zeitoffenen Geschäftsführerperiode die Themenfelder Natur und Kultur/Schrägstrich Geschichte noch weiter zu stärken.


Ein Haus mit so vielen Abteilungen und Mitarbeitern ist wohl ein großer Flohzirkus, den man erst einmal zusammenhalten muss. Fühlen Sie sich als Flohzirkusdirektor?


MUCHITSCH: Nein. Ich kenne die meisten "Flöhe" seit 14 Jahren, und die neuen "Flöhe" habe ich mir selbst ausgesucht. Ich sehe das Universalmuseum als sehr gutes und sehr motiviertes Gesamtteam, das sind unserer Stärken.


Es gibt ein paar Gerüchte und wohl auch ein paar Wahrheiten rund um die Zukunft des Volkskundemuseums. Stichwort: Zusammenlegung. Können Sie da schon was Konkreteres verraten?


MUCHITSCH: Konkret ist noch nichts. Aber wie ich schon sagte: Angespannte Bedingungen fordern kreative Überlegungen. Als ordentlicher Kaufmann bin ich gezwungen, bestimmte Szenarien zu entwerfen, wie man auf gewissen Entwicklungen am besten reagieren kann. Ich stehe dazu, dass es eine zu prüfende Variante ist, dass das Volkskundemuseum den Standort Paulustor verlässt und ins Museum im Palais in der Sackstraße auswandert - und dass wir dessen Sammlung dort gemeinsam mit der Kulturhistorischen Sammlung präsentieren. Dazu bräuchte es aber zunächst den kulturpolitischen Willen.


Wenn Unternehmen von "kreativen Ideen" sprechen, reißt's einen immer, weil das auf Deutsch übersetzt zumeist Einsparungen bei Personal, Struktur et cetera bedeutet.


MUCHITSCH:(schmunzelt) Ich betone: Ich bin ja nicht nur Geschäftsführer, der auf Zahlen schauen muss, sondern auch Historiker. Aber zur Erläuterung: Ein Haus wie unseres mit 17 Abteilungen besteht - budgetär gesehen - zu 60 Prozent aus Mitarbeitern, zu 30 Prozent aus Gebäuden und zu 10 Prozent aus Programm. Das sind die Stellschrauben, an denen wir drehen können. Die wichtigsten Ziele des Joanneums waren, sind und bleiben: Die Sammlungen zu erweitern und zu pflegen, diese bestmöglich zugänglich zu machen und Expertise weiterzugeben. In welchen Gebäuden wo was davon stattfindet, hat sich in unserer 200-jährigen Geschichte auch immer wieder geändert. Wir müssen überlegen: Welche Fragen trägt das 21. Jahrhundert an unsere Sammlungen heran? Wie können wir darauf reagieren? Und in welcher Kombination? Speziell in den Kulturwissenschaften gibt es ja den Trend, nicht mehr zwischen oben/unten, links/rechts, arm/reich zu unterscheiden, also gesamtheitliche statt spezialwissenschaftliche Ansätze zu bieten.


Am Mittwoch, dem 2. März, erfolgt die Bekanntgabe, wer die Leitung des Kunsthauses übernimmt. Wie würde denn Ihre Idealbesetzung aussehen?


MUCHITSCH: Sie muss teamfähig sein, denn das Team hat in den letzten Monaten an Wert gewonnen; es soll jedenfalls zu keinen Sezessionsbewegungen oder negativen Konkurrenzsituationen kommen. Inhaltlich würde ich mir ein Programm mit scharfem Profil wünschen, das auch größtmögliche Akzeptanz erfährt – das ist natürlich immer so eine Gratwanderung. Und dass diese Person ein starkes Netzwerk im Bereich der zeitgenössischen Kunst mitbringt, aber auch die Fähigkeit, offen und ehrlich auf die heimische Szene zuzugehen.


Die Ausrichtung des Kunsthauses ist von Anfang an lang und breit und - nicht immer -  tiefgängig diskutiert worden. Ohne Zurufe von außen: Wo soll es Ihrer Meinung nach hingehen?


MUCHITSCH: Man sollte zunächst einmal das respektieren, was Peter Pakesch mit dem Kunsthaus geschaffen und geschafft hat, nämlich dass es ein international extrem wichtiger Player geworden ist. Diese privilegierte Position sollte man nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Aber jeder, der sich für so ein Haus bewirbt, bringt ja ohnehin die Erfahrung mit: Ich muss einerseits international Wegweisendes bieten, darf andererseits die Bodenhaftung nicht verlieren. Ein Leuchtturm ist ein schönes, passendes Bild dafür.

INTERVIEW: MICHAEL TSCHIDA

Das Joanneumsviertel von oben, Kernstück des Universalmuseums
Das Joanneumsviertel von oben, Kernstück des Universalmuseums © Reinhart Nunner