Er ist einer der profiliertesten deutschen Schauspieler und einer der meistbeschäftigten: Ulrich Noethen. Im Kino sehen wir den Bayern ab 3. März als Vater Otto Frank im "Tagebuch der Anne Frank". Bereits heute Abend mimt der 56-Jährige in "Die Akte General" den Generalstaatsanwalt und Nazijäger Fritz Bauer (ARD, 20.15 Uhr). Regisseur Stephan Wagner gelang damit ein eindringliches und wichtiges Porträt des gebürtigen Stuttgarters, der einen essenziellen Beitrag zum Zustandekommen der Frankfurter Auschwitzprozesse leistete.

Herr Noethen, die Liste Ihrer Filme ist überlang. Sie können sich Ihre Rollen faktisch aussuchen. Was war ausschlaggebend, dass Sie in "Das Tagebuch der Anne Frank" mitgewirkt haben? Dass die Universal Studios aus Hollywood die Hände mit im Spiel hatten?
ULRICH NOETHEN: Erstens empfand ich es als ungeheuren Vertrauensbeweis, dass ich darauf angesprochen wurde. Und man fühlt sich auch verpflichtet.

Wie meinen Sie das?
NOETHEN: Wird man gefragt, ob man bei der ersten deutschsprachigen Verfilmung dieses Weltliteraturstücks teilnehmen möchte, dann hat das für einen Deutschen natürlich große Bedeutung. Soll man sich dem entziehen? Und dann: Ich bin Schauspieler geworden, um diesen gewissen Wahn zu befriedigen.

Welchen?
NOETHEN: Den Wahn, dass man denkt, man hätte der Welt mit seinen Rollen etwas mitzuteilen.

Wie sehen Sie die Person des Otto Frank?
NOETHEN: Im Zentrum steht ein Mann, der die Verantwortung für seine Familie übernimmt und versucht, richtige Entscheidungen zu treffen. Tochter Anne hat zu ihm eine besondere Beziehung. Sie sucht Halt, und für sie ist er der Fels in der Brandung. Die Entscheidungen, die Otto hauptsächlich verantwortete, sahen lange so aus, als seien sie die richtigen. Leider kam es anders.

Wie weit waren Sie mit dem Thema vertraut?
NOETHEN: Ich war von meiner Familie informiert, aber in einer für die damalige Generation abgeminderten Form. Es gab gewisse Schulkenntnisse und letztendlich die Serie "Holocaust". Anne Franks Buch wurde in der Schule nicht behandelt. Meine Mutter hingegen hatte es gelesen.

Bauer (Noethen) mit seinem Mitarbeiter Hell (David Kross)
Bauer (Noethen) mit seinem Mitarbeiter Hell (David Kross) © SWR/Brackmann

Vom Naziopfer zum Nazijäger Fritz Bauer in "Die Akte General" heute Abend in der ARD?
NOETHEN: Interessanterweise ist das in relativ kurzer Folge der vierte Film, in dem Bauer im Mittelpunkt steht. Er führte als hessischer Generalstaatsanwalt einen einsamen Kampf gegen die Vertuschung nationalsozialistischer Verbrechen und die restaurative Politik der Regierung Konrad Adenauers.

Gegen ihn formierte sich immer wieder Widerstand.
NOETHEN: Bauer hat einmal gesagt: "Wenn ich aus meinem Büro rausgehe, betrete ich Feindesland!" Für mich ist er einer der wenigen deutschen Helden, die zustande brachten, dass man sich mit Auschwitz auseinandersetzte. In Deutschland war das zu jener Zeit alles andere als ein Zentralpunkt.

Er war auch an der Ergreifung von Adolf Eichmann beteiligt?
NOETHEN: Da hat Bauer mit dem israelischen Geheimdienst kooperiert, weil er der Ansicht war, dass dieses Thema in Deutschland nicht in den richtigen Händen gewesen wäre. Eine Freude, dass man so was spielen darf. Ich hatte lange, schwierige Dialoge, und es gab zwei Drehbuchseiten, wo ich ein Interview auf Dänisch geben musste. Ich habe das ganz genau gelernt. Das Aufsagen dieses Textes ist heute meine Partynummer.

Ulrich Noethen mit Kollegin Rosalie Thomas
Ulrich Noethen mit Kollegin Rosalie Thomas © APA

INTERVIEW: LUIGI HEINRICH, BERLIN.